Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1939
Zieht sich eine AG ganz oder teilweise von der Börse zurück, wird dieser Vorgang allgemein mit dem Begriff "Delisting" bzw. "Going Private" umschrieben.
Zur Durchführung des Going Private bestehen verschiedene Möglichkeiten, das sog. "reguläre Delisting", nämlich den Widerruf der Börsenzulassung nach dem BörsenG, und das sog. "kalte Delisting", also
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Verschmelzung der börsennotierten AG auf eine nicht börsennotierte Erwerbergesellschaft, |
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Umwandlung der börsennotierten AG in eine Gesellschaft nicht börsenfähiger Rechtsform, |
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Eingliederung in eine andere Gesellschaft und |
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Verkauf sämtlicher Einzelwirtschaftsgüter und Auflösung der AG. |
Beim regulären Delisting geht es gesellschaftsrechtlich um die Frage, wer für das "Delisting" innerhalb der Gesellschaft zuständig ist und ob hier insb. ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung und wenn ja mit welcher Mehrheit gegeben ist. Weiter geht es dabei um die Frage, ob flankierende Schutzmaßnahmen für die Minderheitsaktionäre in Form eines Barabfindungsgebots erforderlich sind. Beim kalten Delisting spielen diese Fragen keine Rolle, da hier der Rückzug von der Börse gesetzliche Folge der entsprechenden Maßnahmen ist.
Rz. 1940
Auf kapitalmarktrechtlicher Ebene wird lediglich ein Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung vorausgesetzt. Daraufhin wird ein verwaltungsrechtliches Widerrufsverfahren bei der jeweils zuständigen Börsenzulassungsstelle eingeleitet. Grundlage der Widerrufsentscheidung ist § 38 Abs. 4 Satz 1 BörsenG, ergänzt durch die jeweilige Bestimmung in der anwendbaren Börsenordnung. Die Börsen treffen hierbei eine freie Ermessensentscheidung. Eine Koppelung der börsenrechtlichen Voraussetzungen des Delisting mit den gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen findet nicht statt.
Rz. 1941
Nach der "Macrotron"-Entscheidung des BGH und der überwiegenden Lit. war ein Beschluss der Hauptversammlung notwendig. Für den Beschluss genügte allerdings die einfache Mehrheit nach § 133 AktG; eine qualifizierte Kapitalmehrheit war nicht erforderlich. Daneben bedurfte es eines Pflichtangebots der AG oder des Großaktionärs über den Kauf der Aktien der Minderheitsaktionäre. Die Höhe der Abfindung konnte in einem gerichtlichen Spruchverfahren überprüft werden
Rz. 1942
Der BGH hat in der Frosta-Entscheidung diese Macrotron-Rspr. ausdrücklich aufgegeben. Nach Ansicht des BGH sei für den Rückzug von der Börse aufgrund Antrags des Emittenten (reguläre Delisting) nunmehr weder ein Beschluss der Hauptversammlung noch ein Pflichtangebot an die Aktionäre erforderlich. Die Binnenstruktur der Gesellschaft ändert sich infolge des Börsenrückzuges nicht; der Börsenrückzug sei damit nicht mit einer Strukturmaßnahme vergleichbar.
Der Gesetzgeber hat sich dieser Sichtweise angeschlossen. Den Schutz der Aktionäre beim Delisting und beim partiellen Delisting (Downlisting) hat der Gesetzgeber nunmehr kapitalmarktrechtlich in § 39 Abs. 2 BörsG durch das Erfordernis von Pflichtangeboten konkretisiert. Zulässig ist darüber hinaus, dass die einzelnen Börsenordnungen für das Delisting zusätzlich einen Hauptversammlungsbeschluss voraussetzen. Da es sich beim Delisting i.Ü. um eine Geschäftsführungsmaßnahme handelt, dürfte eine entsprechende Regelung in der Satzung gegen § 23 Abs. 5 AktG verstoßen und damit unzulässig sein.