Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
aa) Kapitalerhöhung während eines laufenden Insolvenz- oder Liquidationsverfahrens
Rz. 435
Die Möglichkeit einer Kapitalerhöhung sowohl im Insolvenz- als auch im Liquidationsverfahren ist allgemein anerkannt. Gem. § 35 InsO wird auch während des laufenden Insolvenzverfahrens erlangtes Vermögen des Gemeinschuldners Bestandteil der Insolvenzmasse, sodass die mit der Durchführung der Kapitalerhöhung entstehenden Einlageansprüche der Gesellschaft in die Insolvenzmasse fallen. Eine Kapitalerhöhung während des Insolvenzverfahrens fördert damit das Ziel der InsO, nämlich die bestmögliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Zudem werden die Gesellschafter mit der Kapitalerhöhung oft den Zweck verfolgen, der notleidenden Gesellschaft neues Kapital zuzuführen, um das Insolvenzverfahren nach § 212 InsO zur Einstellung zu bringen. Für das Insolvenzplanverfahren wird in § 225a Abs. 2 InsO die Kapitalerhöhung auch ausdrücklich als möglicher Teil des Planes genannt.
Auch während einer Liquidation kann gerade eine Kapitalerhöhung für die Gesellschaft notwendig sein, um sich weitere Mittel zur Befriedigung ihrer Gläubiger beschaffen zu können.
bb) Auswirkungen eines Insolvenzantrags oder Liquidationsbeschlusses auf eine bereits beschlossene Kapitalerhöhung
Rz. 436
Eine andere Frage ist, ob eine vor Eröffnung des Insolvenz- bzw. Liquidationsverfahrens beschlossene, aber noch nicht in das Handelsregister eingetragene Kapitalerhöhung weiter durchgeführt werden kann und muss.
Auch hier wird der Grundsatz vertreten, dass alle Maßnahmen nur dann zulässig sind, wenn und soweit sie nicht dem Zweck des Insolvenzverfahrens widersprechen. Da das Hauptanliegen des Insolvenzverfahrens in der Befriedigung aller Gläubiger zu sehen ist und dem Unternehmen mit der Kapitalerhöhung neues Kapital zufließt, wirkt es sich aus Sicht der Gläubiger nicht nachteilig aus. Daher stößt auch die Durchführung einer bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossenen Kapitalerhöhung grds. auf keine Bedenken.
Ein weiterer Zweck des Insolvenzverfahrens wird aber auch in der Vollabwicklung der Gesellschaft gesehen. Die Vollabwicklung der Gesellschaft steht aber erst dann endgültig fest, wenn die Fortführung nicht mehr beschlossen werden kann. Erst dann wären die zugeführten Mittel ausschließlich wieder an die Gesellschafter auszuschütten; die weitere Durchführung der Kapitalerhöhung wäre daher unzulässig.
Rz. 437
Den Gesellschaftern bleibt es i.Ü. auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich, die Kapitalerhöhung zu verhindern: Sie können die Geschäftsführer anweisen, die Anmeldung zurückzunehmen oder den Kapitalerhöhungsbeschluss durch einen Gegenbeschluss wieder aufheben. Der Insolvenzverwalter kann dabei die Gesellschafter weder gegen ihren Willen zwingen, die Kapitalerhöhung zu Ende zu führen, noch kann er selbst die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses herbeiführen. Etwas anderes gilt allerdings im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens. Hier ist es den Gesellschaftern ohne Mitwirkung der Gläubiger nicht möglich, einseitig die Durchführung der Kapitalerhöhung zu verhindern. Streitig ist, ob die Gesellschafter ein Recht zur Kündigung geschlossener Zeichnungs- bzw. Übernahmeverträge haben. Versäumen sie dies und stoppen das Verfahren nicht, sondern lassen es zur Eintragung kommen, bleiben sie zur Einzahlung auf die Kapitalerhöhung verpflichtet und können geleistete Mittel auch nicht zurückfordern. Wenn auf den Kapitalerhöhungs- ein Liquidationsbeschluss folgt, kann hierin zugleich die Aufhebung des Erhöhungsbeschlusses liegen; i.Ü. bleibt es bei der Möglichkeit, den Beschluss bis zur Eintragung wieder aufzuheben.