Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1207
Bis zum Beginn der Hauptversammlung ist derjenige, der die Hauptversammlung einberufen hat, auch zur Rücknahme der Einberufung (Vertagung, Verschiebung, Absetzung) berechtigt (s.o. Rdn 1080). Regelmäßig ist dies der Vorstand.
Rz. 1208
Wird die Hauptversammlung vom Vorstand aufgrund eines Minderheitsverlangens nach § 122 Abs. 1 AktG einberufen, darf der Vorstand diese Hauptversammlung nach h.L. nur absagen, wenn die Minderheit ihr Verlangen zurücknimmt. Der BGH sieht dies anders. Aus der Einberufungsbefugnis des Vorstands resultiere auch seine Befugnis zur Rücknahme der Einberufung – und zwar ungeachtet dessen, dass der Vorstand bei einem entsprechenden Minderheitsverlangen zur Einberufung verpflichtet sei und er dieser Pflicht zunächst auch gefolgt sei. Erfolgt die Einberufung der Hauptversammlung aufgrund Ermächtigung nach § 123 Abs. 3 AktG durch die Minderheitsaktionäre selbst, scheidet dagegen eine Rücknahme der Einberufung durch den Vorstand aus.
Rz. 1209
Nach Ansicht des BGH erlischt das Recht zur Rücknahme der Einberufung spätestens mit förmlicher Eröffnung der Hauptversammlung. Eine Rücknahme ist aber auch schon dann nicht mehr möglich, wenn sich in dem als Hauptversammlungsraum angegebenen Ort Aktionäre eingefunden haben und der als Beginn der Hauptversammlung angegebene Zeitpunkt verstrichen ist. Danach ist nur noch eine Beendigung bzw. Vertagung möglich, über die die Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit beschließt. Wenn ein Aktionär die Vertagung der Hauptversammlung verlangt, muss der Versammlungsleiter darüber abstimmen lassen.
Rz. 1210
Für die Rücknahme der Einberufung ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. § 121 Abs. 4 Satz 1 oder 2 AktG gelten nicht. Es muss der in Anbetracht des Zeitpunkts der Rücknahme und der Aktionärsstruktur effektivste Weg der Information der Aktionäre (Bundesanzeiger, Tagespresse, Internet, Medienbündel) gewählt werden. Der BGH verlangt eine an alle Aktionäre gerichtete Mitteilung.
Rz. 1211
Wird die Hauptversammlung auf einen anderen Termin verlegt, sind sowohl die Formalien der Rücknahme der Einberufung als auch der Änderung der Einberufung zu beachten. Dies gilt auch für sonstige Änderungen der Einberufung. Ein geringfügig verspäteter Beginn (bis zu 30 Minuten) oder eine bloße Unterbrechung ist keine Terminverlegung. Im Einzelfall, so etwa bei Verkehrsbehinderungen, kann auch eine größere Verzögerung statthaft sein, wenn sie dazu dient, möglichst vielen Aktionären zu ermöglichen, an der Hauptversammlung ab deren Beginn teilzunehmen. Zuständig ist hierfür der Versammlungsleiter. Die Vertagung einer bereits eröffneten Hauptversammlung unterliegt dagegen allein der Entscheidung der Hauptversammlung selbst und nicht einer Entscheidung des Versammlungsleiters.
Rz. 1212
Zurückhaltend zu bewerten ist, ob nach Abschluss der Hauptversammlung dieselbe wiedereröffnet werden kann. In Betracht kommt sie nur in wenigen Fällen, wenn z.B. der Versammlungsleiter rechtserhebliche Feststellungen nicht getroffen hat. Wiedereröffnet wird die Versammlung durch Beschluss der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit. Zulässig ist die Wiedereröffnung weiter nur, wenn sich noch kein Aktionär aus dem Versammlungsraum entfernt hat.