Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1706
Die Aktionäre haben nach § 186 Abs. 1 AktG ein Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen auf eine ihrer bisherigen Beteiligung entsprechenden Anzahl neuer Aktien. Nach § 186 Abs. 2 AktG muss der Vorstand den Ausgabebetrag oder die Grundlagen für seine Festlegung und zugleich die Frist für die Ausübung des Bezugsrechts bekanntmachen. Die Frist beträgt mind. 2 Wochen (§ 186 Abs. 1 Satz 2 AktG).
Rz. 1707
Das Bezugsrecht in § 186 AktG ist zwingend und entsteht mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss. Von diesem Zeitpunkt an ist das Bezugsrecht veräußerlich und übertragbar. Ab diesem Zeitpunkt können die Aktionäre auf ihr Bezugsrecht verzichten. Der Bezugsrechtsverzicht selbst kann formfrei erklärt werden, insb. z.B. in der Hauptversammlung, in der der Kapitalerhöhungsbeschluss gefasst wurde.
Rz. 1708
Nach § 186 Abs. 5 ist ein mittelbares Bezugsrecht durch Zwischenschaltung einer oder mehrerer Banken, die dann die Aktien den Aktionären zum Bezug anbieten, zulässig. Wichtig ist dies für börsennotierte Gesellschaften. Dort wird häufig auch ein sog. "Greenshoe" (Mehrzuteilungsoption) vereinbart (s.u. Rdn 1795). Da auch mit dem "Greenshoe" ein Bezugsrechtsausschluss einhergeht, ist str., ob das Institut des "Greenshoe" mit § 255 Abs. 2 AktG vereinbar ist.
Rz. 1709
Änderungen des Bezugsrechts durch die Satzung sind unzulässig. Statthaft ist ein Ausschluss des Bezugsrechts nur im Einzelfall gem. § 186 Abs. 3 und Abs. 4 AktG.
Dafür sind bestimmte förmliche Voraussetzungen zu beachten: Das Bezugsrecht kann nur im Beschluss über die Kapitalerhöhung selbst ausgeschlossen werden (§ 186 Abs. 3 Satz 1 AktG). Der beabsichtigte Bezugsrechtsausschluss muss gem. § 186 Abs. 4 Satz 1 AktG mit der Einberufung der Hauptversammlung ausdrücklich und ordnungsgemäß bekannt gemacht werden. Notwendig ist gem. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG ein schriftlicher Bericht des Vorstands über den Grund des beabsichtigten Bezugsrechtsausschlusses an die Hauptversammlung. Dieser Bericht des Vorstands muss nach Ansicht des BGH nicht zwingend analog § 124 Abs. 2 Satz 2 AktG mit seinem wesentlichen Inhalt schon mit der Einberufung bekanntgemacht werden. Es genügt, wenn der Bericht der Hauptversammlung zugänglich gemacht wird (§ 186 Abs. 4 Satz 2 AktG). Unklar ist, ob der Bericht entsprechend § 175 Abs. 2 AktG von der Einberufung der Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen der AG ausgelegt und jedem Aktionär auf Verlangen eine Abschrift erteilt werden. Die h.M. empfiehlt dies. Eine Hinweispflicht auf dieses Auslegung in der Einberufung besteht jedoch nicht. Die Hauptversammlung muss mit den Angaben im Vorstandsbericht in die Lage versetzt werden, allgemein die Interessen der Gesellschaft an einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss ggü. anderen Alternativen zu bewerten, die Nachteile für die ausgeschlossenen Aktionäre zu erkennen und beide gegeneinander abzuwägen. Anzugeben ist in dem Bericht jedenfalls, warum ggf. der Bezugsrechtsausschluss auf den Vorstand selbst delegiert werden soll. Juristische Fachbegriffe sind für Laien verständlich zu übersetzen. Dieser Vorstandsbericht ist, wenn er den Aktionären bei der Einberufung bekanntgemacht wurde, gem. § 130 Abs. 3 AktG der Hauptversammlungsniederschrift beizufügen. Soweit der Bericht der Hauptversammlung nur zugänglich gemacht wird (§186 Abs. 4 Satz 2 AktG), muss er der notariellen Hauptvesammlungsniederschrift ebenso als Anlage beigefügt werden.
Ein Verzicht auf diesen Bericht ist zulässig; notwendig ist hierfür aber die Zustimmung aller Aktionäre.
Rz. 1710
Wegen der Schwere des Eingriffs in die Mitgliedschaft bedarf der Bezugsrechtsausschluss einer sachlichen Rechtfertigung, es sei denn, alle betroffenen Aktionäre stimmen zu.
Sachlich gerechtfertigt ist der Bezugsrechtsausschluss, wenn er im Interesse der Gesellschaft liegt, zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks geeignet und erforderlich sowie verhältnismäßig ist. Als Gesellschaftsinteresse kommt grds. jedes i.R.d. Unternehmensgegenstandes liegende Interesse in Betracht, nicht aber ein Konzerninteresse oder die Interessen bestimmter Aktionäre oder Organmitglieder. Es handelt sich um eine unternehmerische Entscheidung, bei der ein weiter Ermessensspielraum besteht. Geeignet und erforderlich ist der Bezugsrechtsausschluss, wenn der angestrebte Zweck mit ihm erreicht werden kann und wenn eine Entscheidungsalternative nicht besteht oder der Bezugsrechtsausschluss unter mehreren Möglichkeiten den Zweck am besten zu fördern vermag. Zu prüfen ist dabei insb., ob dieser Zweck nicht auch durch eine Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluss verfolgt werden kann. Verhältnismäßig ist der Bezugsrechtsausschluss, wenn das Gesellschaftsinteresse höher zu bewerten ist als das Interesse der Aktionäre am Erhalt ihrer Rechtsposition. Dabei gilt der Grundsatz: Je schwerer der Eingriff in die Rechte der Aktionäre wiegt, desto gewichtiger muss das Interesse der ...