Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 398
Von einem Bezugsrecht der Altgesellschafter ausgehend können hinsichtlich der Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss die Regelungen über den Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts bei der AG entspr. herangezogen werden. Danach bedarf der Bezugsrechtsausschluss eines berechtigten Gesellschaftsinteresses und muss zur Erreichung dieses Interesses erforderlich sowie verhältnismäßig sein. Ein solches berechtigtes Interesse muss objektiv bestimmt und darf nicht am Willen der Mehrheit festgemacht werden, weil es gerade um dessen Überprüfung geht.
Rz. 399
Mögliche Fallgruppen sind:
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Bereitschaft eines Gesellschafters oder eines Dritten, für die Übernahme der neuen Anteile finanzielle Sonderleistungen zu erbringen, welche der Gesellschaft in einer schwierigen Finanzierungssituation helfen, |
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besonderes Interesse der GmbH an Leistungen, die nur ein bestimmter Gesellschafter oder ein Dritter zu erbringen vermag (insb. immaterielle Wirtschaftsgüter wie Goodwill oder ein bestimmtes Know-how), |
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Ausgleich von Spitzenbeträgen, |
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angestrebte Geschäftsverbindung mit einem anderen Unternehmen, das die Zusammenarbeit von einer Beteiligung abhängig macht. |
Rz. 400
Als weitere Voraussetzung muss der Bezugsrechtsausschluss erforderlich sein, um dem berechtigten Interesse der Gesellschaft Rechnung zu tragen. Dies kann nicht schon dann bejaht werden, wenn der Bezugsrechtsausschluss der sinnvollste oder einfachste Weg zur Erreichung des verfolgten Zweckes der Gesellschaft ist. Andererseits bedeutet Erforderlichkeit auch nicht, dass der Bezugsrechtsausschluss den einzigen Weg zur Erreichung des Gesellschaftsziels darstellt. Ausreichend muss sein, dass ein anderer Weg der Gesellschaft erhebliche, unzumutbare Nachteile bringt.
Rz. 401
Schließlich muss der Bezugsrechtsausschluss verhältnismäßig sein. Hier muss in einer Interessenabwägung das Interesse der Gesellschaft an der Erreichung des angestrebten Ziels den durch den Bezugsrechtsausschluss beeinträchtigten Gesellschafterinteressen gegenübergestellt werden, wobei das Gesellschaftsinteresse die Gesellschafterinteressen überwiegen muss. Der Gesellschafter muss zwar keinesfalls immer seine Interessen hinter das Gesellschaftsinteresse zurückstellen. Allerdings ist in die Interessenabwägung einzubeziehen, dass der Gesellschafter aufgrund seiner Treuepflicht gehalten ist, den mit der Gesellschaft verfolgten gemeinsamen Zweck zu fördern.
Eine solche Interessenabwägung hat der BGH für die Aktiengesellschaft z.B. dann zugunsten des Gesellschaftsinteresses entschieden, wenn der Kreis der Aktionäre durch Einführung von Aktien im Ausland erweitert werden soll und damit notwendigerweise bisherige Aktionäre vom Erwerb dieser Aktien ausgeschlossen werden müssen. Außerdem kann für die Abwägung eine Rolle spielen, ob den vom Bezugsrecht Ausgeschlossenen ausgleichende Rechte im Gegenzug eingeräumt werden.
Kein Raum für eine inhaltliche Kontrolle des Bezugsrechtsausschlusses besteht, wenn dieser mit Zustimmung aller Altgesellschafter gefasst wird, wie dies regelmäßig bei Finanzierungsrunden von Start-Ups der Fall ist. Hier werden häufig nur der neu eintretende VC-Investor oder lediglich einzelne Altinvestoren zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung zugelassen.