Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
I. Einführung
Rz. 2022
Neben den klassischen Kapitalgesellschaftsformen GmbH, AG und der Sonderform der KGaA kann seit inzwischen über 20 Jahren, seit dem 8.10.2004, auch die Europäische (Aktien-)Gesellschaft (Societas Europaea; kurz SE) als Rechtsform für ein Unternehmen gewählt werden. Die Regelungen über die Europäische Gesellschaft (SE) finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-VO). Natürlichen Personen steht die Europäische Gesellschaft (SE) allerdings nicht als Rechtsform für die Gründung einer Gesellschaft offen.
Gleichzeitig mit der Verordnung ist die Richtlinie 2001/86/EG vom 8.10.2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (SE-RL) verabschiedet worden.
Rz. 2023
Die SE-VO ist eine sog. "unvollständige" oder "hinkende" Verordnung. Teilweise ordnet sie an, dass der nationale Gesetzgeber Regelungen zu treffen hat (etwa in Art. 64 Abs. 1 SE-VO), teilweise ist der nationale Gesetzgeber zu einer Regelung ermächtigt (so z.B. Art. 19 SE-VO). Die Regelungsaufträge hat der Gesetzgeber in dem Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) wahrgenommen. Die Arbeitnehmerbeteiligungsrichtlinie ist in dem Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBG) umgesetzt.
Rz. 2024
Europäische Gesellschaften (SE) haben zwar in allen Mitgliedsstaaten der EU das gleiche Grundgerüst, besitzen aber auch immer in erheblichem Umfang nationale Eigenarten. Daher wird es keine einheitliche "europäische" Europäische Gesellschaft geben, sondern z.B. deutsche oder französische Europäische Gesellschaften (SE). Die Europäische Gesellschaft (SE) kann in allen Mitgliedsstaaten der EU sowie in den Unterzeichnerstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gegründet werden.
1. Einsatzmöglichkeiten der Europäischen Gesellschaft (SE)
Rz. 2025
Die Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) kommt für europaweit agierende Konzerne in Betracht, die derzeit gesellschaftsrechtlich noch nicht integriert sind. Für solche Konzerne besteht die Möglichkeit, ihre Tochtergesellschaften europaweit einheitlich zu strukturieren (vgl. Rdn 2034 ff.). Hierbei sind allerdings auch die nationalen Regelungen für bestehende AG zu beachten. Für AG der EU stellt die Rechtsform der Europäischen Gesellschaft (SE) wegen ihres Seriositätsvorsprungs und ihres multinationalen "Labels" vor den nationalen Rechtsformen eine Option dar. Die Europäische Gesellschaft (SE) eignet sich aber auch als Rechtsform für Gesellschaften, die auf nationale Interessen Rücksicht nehmen müssen. Durch die Wahl der europäischen Rechtsform können staatliche ...