Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 2359
Als Prüfungsgegenstand sind von der öffentlichen Präventivkontrolle der Errichtungsakt bzw. die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft sowie deren Änderungen erfasst. Damit erstreckt sich die öffentliche Präventivkontrolle auf den gesamten Lebenszyklus einer Gesellschaft. Das betrifft Präsenz- wie Onlineverfahren (Art. 10 Abs. 5 GesRRL-E). Das Erfordernis öffentlicher Präventivkontrolle erstreckt sich zudem auf Handelsregisteranmeldungen, wiederum sowohl online (Art. 13j Abs. 4 GesRRL-E) als auch in Präsenz (Art. 13k Abs. 2 GesRRL-E).
Rz. 2360
Der Mindestumfang der Prüfung ist in Art. 10 Abs. 2 GesRRL-E festgelegt. Kern dieser Eingangskontrolle ist eine volle Rechtmäßigkeits- und Wirksamkeitsprüfung (Art. 10 Abs. 2c) GesRRL-E), die durch die Prüfung der Einhaltung aller formellen Anforderungen, des vorgeschriebenen Mindestinhalts der Gründungsdokumente und Leistung der Einlagen ergänzt wird (Art. 10 Abs. 2a)-b) und d) GesRRL-E). Die vorläufige politische Einigung ist damit deutlich ambitionierter als noch der Richtlinienentwurf der Kommission, der nur eine Evidenzkontrolle gefordert hatte. Der Vorschlag der Kommission war der unterschiedlichen Intensität der Eingangskontrolle in den Mitgliedstaaten geschuldet. Weil die grenzüberschreitende Anerkennung von Registereintragungen, wie dargelegt, allerdings Vertrauen in die Verlässlichkeit aller mitgliedstaatlichen Register voraussetzt, entschieden sich Rat und Europäisches Parlament für die volle Rechtmäßigkeits- und Wirksamkeitskontrolle. Aus guten Gründen lehnten sie auch den Vorschlag der Kommission ab, bei der Verwendung von Mustern von einer Rechtmäßigkeitskontrolle abzusehen.
Rz. 2361
Gleichzeitig wird der Mindestprüfungskatalog aus der ersten Digitalisierungsrichtlinie, der für Onlineverfahren natürlich weitergilt, auf die Präsenzverfahren erstreckt, soweit auf Präsenzverfahren anwendbar. Das gilt nach Art. 13k Abs. 1 GesRRL-E für die allgemeinen Bestimmungen zu den Online-Verfahren (Art. 13c GesRRL), die Bestimmungen zum once only-Prinzip in Art. 13g Abs. 2a GesRRL-E, die Prüfung der Geschäftsfähigkeit und Vertretungsbefugnis der Antragsteller (Art. 13g Abs. 3a) GesRRL), die Rechtmäßigkeit des Unternehmensgegenstands und des Namens der Gesellschaft (Art. 13g Abs. 3d) und e) GesRRL), die Überprüfung der Bestellung der Geschäftsführer (Art. 13g Abs. 3f) GesRRL). Fakultativ sind die Folgen der Disqualifikation von Geschäftsführern eines anderen Mitgliedstaats sowie die Beteiligung von Notaren oder anderen Personen oder Stellen nach nationalem Recht bei der Prüfung der vorgenannten Punkte (Art. 13g Abs. 4b) und c) GesRRL). Art. 13g Abs. 4b) GesRRL gilt allerdings nur für die vorgenannten Vorschriften und vorbehaltlich des Art. 10 Abs. 1–3 GesRRL-E. Ferner ist Art. 13g Abs. 5 und Abs. 7 GesRRL auf die Präsenzgründung anwendbar erklärt. Schließlich müssen die Vorschriften zur Gründung von Gesellschaften Vorschriften zur Identifizierung der Antragsteller umfassen (Art. 13k Abs. 1 UAbs. 2 GesRRL-E).
Rz. 2362
Die DRL II betont in ihrem ErwG 9a ausdrücklich die Bedeutung einer korrekten Identifizierung der Gesellschafter und Geschäftsführer für die Rechtmäßigkeit gesellschaftsrechtlicher Transaktionen, den Schutz verlässlicher öffentlicher Register und die Prävention illegaler Aktivitäten. Die DRL II bestätigt, dass die Mitgliedstaaten aus diesen Gründen zu Recht doppelstufige Identifizierungsverfahren vorsehen können, die eine Identifizierung anhand von elektronischen Identifizierungsmitteln (eID) mit der höchsten Sicherheitsstufe nach der eIDAS-VO und einer Videokonferenz kombinieren, in der zusätzlich ein Lichtbildabgleich mit einem aus dem Ausweisdokument elektronisch ausgelesenen Lichtbild stattfindet. Diese auch in Deutschland nach § 16c BeurkG verwandte Sicherheitsarchitektur für notarielle Onlineverfahren im Gesellschaftsrecht verhindert Identitätsdiebstahl und verdeckte Stellvertretung. Mit diesen kann die bewährte Präsenzbeurkundung und das mit ihr verbundene Erfordernis höchstpersönlicher Identifizierung funktionsäquivalent durch den Notar auf die Onlineverfahren übertragen werden.