Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1878
Möglich ist auch eine Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien nach den §§ 237 ff. AktG. Mit der Einziehung gehen einzelne Aktien unter und das Grundkapital vermindert sich um den Anteil der eingezogenen Aktien. Die Einziehung geht im Aktienrecht – anders als im GmbH-Recht – zwingend mit einer Kapitalherabsetzung einher.
Rz. 1879
Vom Ausschluss eines säumigen Aktionärs nach § 64 Abs. 3 AktG, der Kaduzierung, unterscheidet sich die Einziehung dadurch, dass bei der Kaduzierung der betreffende Aktionär zwar sein Mitgliedschaftsrecht verliert, diese Mitgliedschaft aber im Gegensatz zur Einziehung in ihrem rechtlichen Bestand fortbesteht und nach den Regeln des § 65 AktG zu verwerten ist. Bei der Kraftloserklärung von Aktienurkunden nach den §§ 72, 73, 226 AktG kommt es demgegenüber nur zur Wirkungslosigkeit der betreffenden Aktienurkunden. Das Mitgliedschaftsrecht selbst bleibt davon unberührt. Der betroffene Aktionär bleibt weiterhin Gesellschafter.
Abzugrenzen ist die Einziehung schließlich von der aus dem GmbH-Recht bekannten Möglichkeit, anstelle der Einziehung den Betroffenen zu verpflichten, die Aktien auf einen Dritten zu übertragen. Im Aktienrecht ist die Zulässigkeit einer solchen Klausel umstritten ("Auslosung"). Nach einer Ansicht soll dies unter Beachtung der Voraussetzungen des § 237 AktG zulässig sein Nach a.A. verstößt eine solche Bestimmung jedoch gegen § 23 Abs. 5 AktG. Keine Bedenken gegen die Zulässigkeit einer solchen Auslosung bestehen hingegen, wenn diese auf schuldrechtlicher Basis z.B. in einer Aktionärsvereinbarung getroffen wird.
Rz. 1880
Bei der Einziehung unterscheidet das Gesetz zwei Arten, die Zwangseinziehung und die Einziehung eigener Aktien. Für beide Arten bestehen zwei Verfahren, nämlich die ordentliche Einziehung sowie die vereinfachte Einziehung. Der Unterschied besteht darin, dass beim vereinfachten Verfahren anders als bei der ordentlichen Einziehung die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung nicht beachtet werden müssen (§ 237 Abs. 3 AktG).
aa) Übersicht
Rz. 1881
bb) Muster: Beschluss über die Kapitalherabsetzung durch Einziehung
Rz. 1882
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Muster 10.32: Beschluss über die Kapitalherabsetzung durch Einziehung
1. |
Das Grundkapital der Gesellschaft wird von 100.000,00 EUR um 5.000,00 EUR auf 95.000,00 EUR herabgesetzt. Die Herabsetzung erfolgt nach den Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung zum Zweck der Umwandlung von Grundkapital in andere Gewinnrücklagen. |
2. |
Die Kapitalherabsetzung erfolgt durch Einziehung von 5.000 eigenen Inhaberaktien. |
3. |
Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrates die Einzelheiten der Durchführung zu bestimmen. |
4. |
§ _________________________ der Satzung wird wie folgt geändert: "Das Grundkapital beträgt 95.000,00 EUR." |
cc) Inhalt
Rz. 1883
Die Zwangseinziehung muss in der Satzung zugelassen sein, bevor die betreffenden Aktien erworben wurden (§ 237 Abs. 1 Satz 2 AktG). Möglich ist, die Zwangseinziehung erst später durch entsprechende Satzungsänderung mit Zustimmung sämtlicher betroffener Aktionäre zuzulassen. Im Einzelnen handelt es sich bei der Zwangseinziehung um die Anordnung in der Satzung, dass unter bestimmten Voraussetzungen Aktien eingezogen werden müssen (angeordnete Zwangseinziehung). Ebenso kann die Satzung bestimmen, dass eine Zwangseinziehung lediglich gestattet ist, ohne im Einzelnen das Verfahren anzuordnen (gestattete Zwangseinziehung). Stets zulässig ist eine "freiwillige Einziehung", wenn der Aktionär, dessen Aktien eingezogen werden sollen, damit einverstanden ist. Ein vorheriger Erwerb der Aktien zum Zweck der Einziehung oder eine entsprechende Satzungsregelung ist bei der freiwilligen Einziehung nicht erforderlich. Einer etwaigen Benachteiligung Dritter (Pfandrechtsgläubiger, Nießbraucher) ist durch ein Zustimmungserfordernis analog §§ 1276 Abs. 1 Satz 1, 1071 Abs. 1 Satz 1 BGB Rechnung zu tragen.
Hinweis
Unter welchen Voraussetzungen die Satzung die Zwangseinziehung anordnet, ist gesetzlich nicht bestimmt. Die Satzung ist in der Nennung der Einziehungsgründe frei. Es gilt das Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG.
Rz. 1884
Regelmäßig gibt es eine angeordnete Zwangseinziehung bei vinkulierten Namensaktien, wenn die notwendige Zustimmung zur Übertragung verweigert wird, oder wenn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen einzelne Aktionäre durchgeführt werden. Ebenso zulässig ist die Anordnung der Einziehung für den Fall, dass Aktionäre eine nach § 55 AktG zulässigerweise vereinbarte Neben...