Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1386
§ 118 Abs. 1 Satz 2 AktG gestattet es, dass die Satzung entweder selbst die entsprechenden Regelungen zur Online-Teilnahme anordnet. Die Satzung kann sich darauf beschränken, lediglich den grds. Rahmen vorzugeben und den Vorstand zur konkreten Ausgestaltung innerhalb des Rahmens zu ermächtigen. Ebenso ist es zulässig, dass die Satzung den Vorstand insgesamt dazu ermächtigt, ob und wenn ja welche Aktionärsrechte auf elektronischem Wege in der Hauptversammlung ausgeübt werden können.
aa) Reichweite der Ermächtigung des Vorstands
Rz. 1387
Nach einer Ansicht in der Lit. ist eine solche uneingeschränkte Ermächtigung in der Satzung unzulässig. Es könne nicht Aufgabe des Vorstands sein, dass dieser aufgrund der Satzungsermächtigung berechtigt ist, die Rechte der Aktionäre nach eigenem Gutdünken zu beschneiden. Die Satzung selbst oder die Vorstandsermächtigung müsse daher nähere Regelungen enthalten. Nach h.M. ist eine solche vollständige Ermächtigung des Vorstands jedoch nicht zu beanstanden. Sie entspricht dem Wortlaut des § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG. Auch die Aktionärsrechterichtlinie enthält insoweit keine Vorgaben.
bb) Missbrauchsfälle
Rz. 1388
Problematisch ist es, wenn der Vorstand von der ihm eingeräumten Ermächtigung "strategisch" Gebrauch macht. Hiernach könnte der Vorstand bspw. aufgrund völlig fehlender Vorgaben in der Satzung oder in der Ermächtigung die elektronische Teilnahme oder die Ausübung bestimmter Rechte vor kontroversen Hauptversammlungen ausschließen, um die Unterstützung einer Opposition durch Kleinaktionäre zu beeinträchtigen. Problematisch ist das Gebrauchmachen von einer solchen umfassenden Ermächtigung erst recht, wenn der Vorstand diese Festlegung über die Online-Teilnahme kurzfristig vor der Hauptversammlung trifft und seine Entscheidung i.R.d. Einberufung der Hauptversammlung – bei einer nicht börsennotierten Gesellschaft – für die Aktionäre auch nicht besonders bekannt macht (vgl. § 121 Abs. 3 Ziff. 2 Buchst. b) AktG).
Rz. 1389
Ein solcher Missbrauch dieser Ermächtigung durch den Vorstand kann vermieden werden, dass der Vorstand verpflichtet ist, sich im Hinblick auf die online-auszuübenden Aktionärsrechte spätestens i.R.d. Einberufung der Hauptversammlung in einer für die Aktionäre leicht feststellbaren und für die gesamte Dauer der Hauptversammlung verbindlichen Weise festlegt. Tut er dies nicht, oder kommt es zu einer ad-hoc-Beschränkung während einer laufenden Hauptversammlung, liegt eine Verletzung des Teilnahmerechts der online-Teilnehmer vor. Die Beschlüsse sind analog § 245 Nr. 2 AktG anfechtbar. Dies gilt auch dann, wenn bspw. durch einen kurzfristigen oder nicht bekanntgegebenen Ausschluss eines elektronischen Widerspruchs zur Niederschrift des Notars das Anfechtungsrecht der Online-Teilnehmer faktisch beeinträchtigt wird.