Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1883
Die Zwangseinziehung muss in der Satzung zugelassen sein, bevor die betreffenden Aktien erworben wurden (§ 237 Abs. 1 Satz 2 AktG). Möglich ist, die Zwangseinziehung erst später durch entsprechende Satzungsänderung mit Zustimmung sämtlicher betroffener Aktionäre zuzulassen. Im Einzelnen handelt es sich bei der Zwangseinziehung um die Anordnung in der Satzung, dass unter bestimmten Voraussetzungen Aktien eingezogen werden müssen (angeordnete Zwangseinziehung). Ebenso kann die Satzung bestimmen, dass eine Zwangseinziehung lediglich gestattet ist, ohne im Einzelnen das Verfahren anzuordnen (gestattete Zwangseinziehung). Stets zulässig ist eine "freiwillige Einziehung", wenn der Aktionär, dessen Aktien eingezogen werden sollen, damit einverstanden ist. Ein vorheriger Erwerb der Aktien zum Zweck der Einziehung oder eine entsprechende Satzungsregelung ist bei der freiwilligen Einziehung nicht erforderlich. Einer etwaigen Benachteiligung Dritter (Pfandrechtsgläubiger, Nießbraucher) ist durch ein Zustimmungserfordernis analog §§ 1276 Abs. 1 Satz 1, 1071 Abs. 1 Satz 1 BGB Rechnung zu tragen.
Hinweis
Unter welchen Voraussetzungen die Satzung die Zwangseinziehung anordnet, ist gesetzlich nicht bestimmt. Die Satzung ist in der Nennung der Einziehungsgründe frei. Es gilt das Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG.
Rz. 1884
Regelmäßig gibt es eine angeordnete Zwangseinziehung bei vinkulierten Namensaktien, wenn die notwendige Zustimmung zur Übertragung verweigert wird, oder wenn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen einzelne Aktionäre durchgeführt werden. Ebenso zulässig ist die Anordnung der Einziehung für den Fall, dass Aktionäre eine nach § 55 AktG zulässigerweise vereinbarte Nebenverpflichtung nicht erfüllen.
Rz. 1885
Liegen die Voraussetzungen einer angeordneten Zwangseinziehung vor, ist ein Beschluss der Hauptversammlung nicht mehr erforderlich (§ 237 Abs. 6 Satz 1 AktG). Es entscheidet der Vorstand (§ 237 Abs. 6 Satz 2 AktG). Bei gestatteter Zwangseinziehung entscheidet die Hauptversammlung. Dabei darf die Hauptversammlung jedoch nicht nach Belieben entscheiden. Die Zwangseinziehung muss im Interesse der Gesellschaft sachlich gerechtfertigt sein, weil mit der Einziehung letztlich das Mitgliedschaftsrecht des betroffenen Aktionärs vernichtet wird.
Rz. 1886
Im AktG nicht geregelt ist, ob und in welcher Höhe die AG dem betroffenen Aktionär ein Einziehungsentgelt schuldet. Bei angeordneter Zwangseinziehung ist das Einziehungsentgelt zwingend in der Satzung zu regeln; eine Delegation dieser Frage auf die Verwaltung ist unzulässig. Bei gestatteter Zwangseinziehung ist eine Satzungsregelung möglich. Es genügt die Anweisung zur Zahlung eines angemessenen Entgelts. Fehlt eine solche Regelung über das Einziehungsentgelt, bleibt die Gesellschaft gleichwohl zur Zahlung eines angemessenen Entgelts verpflichtet. Unzulässig ist es, die Höhe des Einziehungsentgelts in das freie Ermessen der Hauptversammlung zu stellen. Gleichfalls unzulässig ist es, im Fall der Einziehung bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder in der Insolvenz des Aktionärs das Einziehungsentgelt niedriger festzusetzen als bei anderen in der Person des Aktionärs liegenden Einziehungsgründen. Überwiegend für unzulässig gehalten wird ebenso der gänzliche Ausschluss eines Einziehungsentgelts.
Rz. 1887
Stets zulässig ist die Einziehung eigener Aktien (§ 237 Abs. 1 Satz 1 AktG). Eine Ermächtigung in der Satzung ist nicht erforderlich, jedoch kann die Satzung die Einziehung eigener Aktien beschränken (§§ 237 Abs. 2 Satz 1, 222 Abs. 1 Satz 2 AktG), nicht aber ausschließen. In den Fällen des § 71c Abs. 3 AktG besteht eine Pflicht zur Einziehung. Notwendig ist immer ein Beschluss der Hauptversammlung. Ein selbstständiges Handeln der Verwaltung wie in § 237 Abs. 6 AktG bei der angeordneten Zwangseinziehung ist nicht möglich. Die Zulässigkeit dieser Kapitalherabsetzung mittels Einziehung eigener Aktien ist allein anhand § 71 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 und Abs. 3 AktG zu prüfen. § 237 Abs. 3 AktG gilt in diesem Fall nicht.
Rz. 1888
Für das Einziehungsverfahren gelten weitestgehend die Vorschriften über die ordentliche bzw. vereinfachte Kapitalherabsetzung. Das ordentliche Einziehungsverfahren bestimmt sich nach § 237 Abs. 2 Satz 1 AktG nach den Vorschriften der ordentlichen Kapitalherabsetzung. Notwendig ist ein Beschluss der Hauptversammlung mit mind. 3/4 Kapitalmehrheit, soweit es nicht um eine angeordnete Zwangseinziehung geht (§ 237 Abs. 6 Satz 1 AktG). Der Beschluss muss notariell beurkundet werden. Inhaltlich muss der Beschluss angeben, dass eine Kapitalherabsetzung durch Einziehung erfolgt. Weiter ist anzugeben, welche Aktien eingezogen werden sollen, ob und welches Einziehungsentgelt gezahlt wird und welchem Zweck die Kapitalherabsetzung durch Einziehung dient. Schließlich muss der Hauptversammlungsbeschluss auch die weiteren Voraussetzungen der Zwangseinziehung und di...