Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 360
Die Nichtbeachtung bestehender Stimmrechtsbeschränkungen kann eine Anfechtbarkeit oder sogar Nichtigkeit der betroffenen Beschlüsse begründen. Um dies zu vermeiden sollten die folgenden Quellen stimmrechtsbeschränkender Regelungen im Vorfeld jedes Abstimmungsvorgangs eingehend geprüft werden.
Die erste Fallgruppe bilden vertragliche Stimmrechtsschranken: Genauso wie die Satzung einzelnen Gesellschaftern Mehrstimmrechte oder besondere Zustimmungsrechte verleihen kann, kann sie auch Regelungen zum Stimmrechtsausschluss einzelner Gesellschafter generell oder nur bezogen auf bestimmte Beschlussgegenstände enthalten.
Vier weitere Fallgruppen bilden die Stimmrechtsverbote des § 47 Abs. 4 GmbHG. Sie betreffen Beschlüsse über:
Die Regelung des § 47 Abs. 4 GmbHG stellt keine Generalnorm dar, die ein Stimmrechtsverbot für jede Art von Interessenkollision anbietet. In der Praxis wird der Anwendungsbereich der einzelnen Fallgruppen durch extensive Auslegung zum Teil erheblich erweitert, wobei die Einzelheiten umstritten sind, was im Einzelfall Abgrenzungsprobleme mit sich bringt. Praxisrelevante weitere Fallgruppen, in denen einhellig das Bestehen eines Stimmverbots bejaht wird, betreffen u.a.:
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Abberufung von Organmitgliedern aus wichtigem Grund; |
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Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages aus wichtigem Grund; |
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Widerruf der Prokura aus Anlass einer Pflichtverletzung; |
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Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen oder Ausschluss des Gesellschafters bei in der Person des Gesellschafters liegendem Grund; |
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Befreiung von einem Wettbewerbsverbot. |
Eine überdehnte Auslegung der Stimmverbotstatbestände des § 47 Abs. 4 GmbHG begründet eine zunehmende Rechtsunsicherheit i.R.v. Beschlussfassungen, die einen Interessenkonflikt des Gesellschafters auch nur erahnen lassen. In ähnlicher Weise wird z.T. auch der subjektive Anwendungsbereich des § 47 Abs. 4 GmbHG auf Personen ausgedehnt, für die der vom Stimmverbot betroffene Gesellschafter Stimmrechte ausübt.
Anstatt in den vorstehenden Konstellationen weiter den Weg einer extensiven Auslegung des § 47 Abs. 4 GmbHG zu gehen, erscheint es sinnvoller für die Beurteilung eines gebotenen Stimmrechtsausschlusses das Institut der Treuepflicht von Anfang an mit in die Beurteilung einzubeziehen. Seine Treuepflicht verbietet es dem Gesellschafter seine Mitgliedschaft zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Mitglieder auszuüben und stellt somit eine aus dem Wesen der Mitgliedschaft folgende Begrenzung der Gesellschafterrechte dar. Mithin kann auch aus der Treuepflicht nicht nur ein bestimmtes Abstimmungsverhalten sondern auch ein Ausschluss der Stimmabgabe geboten sein. Im Ergebnis kann über die Treuepflicht eine deutlich zielgenauere Kontrolle der Stimmrechtsausübung erreicht werden als die über die starre Grenze des Stimmrechtsausschlusses möglich ist.
Neben dem Stimmrechtsausschluss gem. § 47 Abs. 4 GmbHG kann im Zusammenhang mit Gesellschafterbeschlüssen auch das Vertretungsverbot nach § 181 BGB relevant werden. Während § 47 Abs. 4 GmbHG Interessenkonflikte zwischen dem Abstimmenden und der GmbH betrifft, besteht bei § 181 BGB eine Interessenkollision zwischen dem Abstimmenden und dem von ihm vertretenen Gesellschafter. Aufgrund der Besonderheiten des Gesellschaftsverhältnisses greift § 181 BGB im Falle der Doppelvertretung nicht per se, sondern nur bei Beschlüssen, die das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen, also etwa über Satzungsänderungen, Umwandlungen, die Auflösung der Gesellschaft, sowie Abschluss und Aufhebung von Unternehmensverträgen. Beschlüsse im Rahmen des Gesellschaftsvertrages, über Maßnahmen der Geschäftsführung und gemeinsame Angelegenheiten werden von § 181 BGB nicht erfasst. Darüber hinaus greift § 181 BGB auch bei unmittelbarer Betroffenheit des Vertreters selbst – etwa im Fall der Bestellung des Vertreters zum Geschäftsführer.