Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
aa) Hintergrund
Rz. 165
Die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht ist weiterhin dynamisch und wird von der EU und dem Bundesjustizministerium vorangetrieben. Den Startschuss bildete die Digitalisierungsrichtlinie 2019/1151. Diese setzte die Vorgaben des sog. Company Law Packages um. Deren Vorgaben sind in Deutschland im Jahr 2021 mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) implementiert worden.
bb) Grundlagen
Rz. 166
An diese jüngeren Entwicklungen knüpft die EU-Kommission, welche sich in ihrem Arbeitsprogramm das Motto "Ein Europa für das digitale Zeitalter" auf die Fahne geschrieben hat, mit ihrem jüngsten Vorschlag an. Am 23.3.2023 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Ausweitung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im EU-Gesellschaftsrecht vorgestellt, durch welchen die Digitalisierungsrichtlinie durch die Aufnahme neuer Vorschriften und die Änderung bestehender Vorschriften weiterentwickelt werden soll. Ziel dieser Gesetzgebungsinitiative ist es, bestehende Formalitäten bei grenzüberschreitenden Unternehmensaktivitäten weiter abzubauen und den Zugang zu registergebundenen Unternehmensinformationen zu verbessern. Dies gilt insbesondere für Konstellationen, in denen Unternehmen Informationen aus Unternehmensregistern in grenzüberschreitenden Situationen, wozu auch Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gehören, verwenden. Durch diese neuen Vorgaben soll es zu stärker digitalisierten und vernetzten grenzüberschreitenden öffentlichen Dienstleistungen für Gesellschaften kommen. Die Kommission möchte auf diesem Weg auch die Transparenz und das Vertrauen der Binnenmarktteilnehmer in grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten stärken. Dies soll es schließlich auch anderen Behörden auch erleichtern, Missbrauch zu bekämpfen. Gleichzeitig soll der in dem Vorschlag verbundene Bürokratieabbau jährlich rund 437 Mio. EUR an Verwaltungskosten einsparen. Insbesondere sollen kleine und mittlere Unternehmen entlastet werden. Ein Ziel besteht darin, die Gründung ausländischer Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften bzw. ganz allgemein grenzüberschreitende Geschäftsaktivitäten zu erleichtern.
cc) Der Entwurf im Einzelnen
Rz. 167
Der Entwurf besteht im Wesentlichen aus den folgenden Vorschlägen, welche in die bestehende GesR-RL (RL 2017/1132), in der sich auch die Digitalisierungsrichtlinie wiederfindet, implementiert werden sollen, wobei Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften sowie die EWi.V. ausdrücklich mit einbezogen werden. Anders als z.B. bei der Mobilitätsrichtlinie sind also nicht nur Kapitalgesellschaften Ziel der Kommission.
(1) Zwingende vorbeugende Kontrolle bei Gründung und Satzungsänderungen
Rz. 168
Der Kommissionsentwurf sieht eine Neufassung des Art. 10 GesR-RL-E vor. Die vorgeschlagene Neuregelung beinhaltet die vorbeugende Kontrolle durch Verwaltung oder Judikative im Falle der Gründung und bei jeder Änderung des Errichtungsakts oder der Satzung bei Personen- und Kapitalgesellschaften. Dies gilt unabhängig davon, ob die Gründungsform online, hybriden oder offline ist. Zudem sollen Mindeststandards für diese Rechtmäßigkeitsprüfung festlegt werden. Diese beinhalten gem. Art. 10 Abs. 2 GesR-RL-E die Einhaltung der formalen Anforderungen an den Gründungsakt bzw. die Satzung, das Nichtvorliegen offensichtlicher materiell-rechtlicher Unregelmäßigkeiten und die Kontrolle, dass die Geld- oder Sacheinlage im Einklang mit dem nationalen Recht geleistet worden ist. Der Entwurf sieht die Möglichkeit der Beteiligung von Notaren an dieser vorgelagerten Kontrolle ausdrücklich vor.
Spannend wird es sein, wie Länder, die im Prinzip nur Unternehmensdateien führen (z.B. Malta, Zypern, Irland), diese Vorgaben umsetzen.
(2) Erweiterung der Registerinhalte
Rz. 169
Zunächst sollen die bestehenden Registerinhalte erweitert wird. Dies gilt gem. Art. 14a GesR-RL-E in persönlicher Hinsicht für die Offenlegung von Informationen über Personengesellschaften. Diese sollen zukünftig Informationen wie bspw. den Namen, die Rechtsform oder den Vertragssitz in den nationalen Registern und über das durch die Digitalisierungsrichtlinie eingeführte System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern (Business Registers Interconnection System bzw. BRIS) offenlegen müssen. Das BRIS verknüpft die mitgliedstaatlichen Register und ermöglicht die unionsweite Suche nach Informationen aus mitgliedstaatlichen Unternehmensregistern. Die erfassten deutschen Personengesellschaftsformen sind entsprechend des Annexes II zum Kommissionsentwurf die oHG und die KG. Die – ab dem 1.1.2024 durch das MoPeG reformierte – (eingetragene) GbR wird hingegen nicht erfasst.
Rz. 170
Darüber hinaus sollen zukünftig gem. Art...