§ 10 Recht der Kapitalgesellschaften / d) Fehlerhafter Zeichnungsvertrag

Rz. 1908

Für eine ordnungsgemäße Kapitalerhöhung ist nach § 185 AktG die Zeichnung der neuen Aktien erforderlich. Die Zeichnung ist ein Vertrag zwischen Gesellschaft und Zeichner.^[4772]

[4772] Koch, AktG, § 185 Rn 4.

aa) Willensmängel der Zeichnung

Rz. 1909

Die Zeichnungserklärung kann wegen fehlender Geschäftsfähigkeit unwirksam (§§ 104 ff. BGB) oder wegen Willensmängeln anfechtbar (§§ 116 ff. BGB) sein sowie Inhaltsmängel (§§ 134, 138 BGB) oder Vertretungsmängel aufweisen.^[4773] Liegen derartige Mängel vor, muss das Registergericht die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung ablehnen.^[4774]

Nach Eintragung können gem. § 185 Abs. 3 AktG aus der Fehlerhaftigkeit keine Rechte mehr hergeleitet werden, da hier das Vertrauen des Geschäftsverkehrs auf ungeschmälerte Erhaltung der publizierten Kapitalgrundlage vorrangig zu schützen ist. Der Zeichner wird mit Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung Aktionär mit allen Rechten und Pflichten. Willensmängel können nicht mehr geltend gemacht werden.^[4775] Dies gilt insb. für die Anfechtbarkeit, die Sittenwidrigkeit oder für einen Verstoß gegen § 181 BGB.^[4776] Entsprechende Überlegungen gelten für Mängel der Übernahmeerklärung im Gründungsstadium.^[4777]

Rz. 1910

Anders ist es, wenn die Übernahme oder Zeichnung nicht zurechenbar veranlasst wurde, so etwa im Fall mangelnder Geschäftsfähigkeit, bei fehlender Willenserklärung oder vollmachtloser Vertretung.^[4778] Ebenso ist es, wenn gar keine Zeichnung vorliegt bzw. diese erzwungen oder gefälscht wurde. Die Übernahme oder Zeichnung ist unwirksam. In diesem Fall stehen die betreffenden Mitgliedschaftsrechte der AG zu, die sie umgehend zu verwerten oder – sofern dies nicht gelingt – im Rahmen einer Kapitalherabsetzung durch Einziehung zu vernichten hat.^[4779]

[4773] Koch, AktG, § 185 Rn 28.

[4774] Koch, AktG, § 185 Rn 28; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 57a Rn 2.

[4775] Koch, AktG, § 185 Rn 28; Scholz/Priester, GmbHG, § 57 Rn 50.

[4776] Vgl. Scholz/Priester, GmbHG, § 57 Rn 50; MüKo-AktG/Peifer, § 185 Rn 60.

[4777] Michalski, GmbHG, § 2 Rn 63 ff.; MüKo-AktG/Pentz, § 23 Rn 174 ff.

[4778] KK-AktG/Lutter, § 185 Rn 14; Koch, AktG, § 185 Rn 28; Scholz/Priester, GmbHG, § 57 Rn 50; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen, S. 197; Vogelmann, Die Rechtsfolgen fehlerhafter Strukturänderungen im Aktienrecht, S. 251; Temme, RNotZ 2004, 13.

[4779] KK-AktG/Lutter, § 185 Rn 17; Koch, AktG, § 185 Rn 29.

bb) Formfehler der Zeichnung

Rz. 1911

Die Zeichnung der neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung muss nach § 185 Abs. 1 Satz 1 AktG schriftlich erfolgen. Verstöße gegen die Schriftform führen zur Nichtigkeit (§ 125 AktG).^[4780] Wurde die Durchführung der Kapitalerhöhung gleichwohl im Handelsregister eingetragen und hat der betroffene Aktionär Rechte ausgeübt oder Pflichten erfüllt, kann sich der Zeichner entweder nach dem Grundsatz des venire contra factum proprium^[4781] oder analog § 185 Abs. 3 AktG nicht mehr auf den Mangel der Form berufen.^[4782]

[4780] KK-AktG/Lutter, § 185 Rn 44; MüKo-AktG/Peifer, § 185 Rn 54.

[4781] Die Heilungsvorschrift des § 185 Abs. 3 AktG bezieht sich nur auf Mängel i.S.d. § 185 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2; KK-AktG/Lutter, § 185 Rn 60.

[4782] GK-AktG/Wiedemann, § 185 Rn 58; MüKo-AktG/Peifer, § 185 Rn 54.

cc) Inhaltsmängel von Zeichnungsscheinen

Rz. 1912

§ 185 Abs. 1 Satz 3 AktG enthält detaillierte Vorschriften für den Inhalt der Zeichnungserklärung. Sind die Angaben in dem Zeichnungsschein nicht vollständig, ist dieser nach § 185 Abs. 2 AktG nichtig. Nach § 185 Abs. 3 AktG kann sich der Zeichner aber nicht darauf berufen, wenn die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals im Handelsregister eingetragen ist und wenn er aufgrund des Zeichnungsscheins als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat. Diese rückwirkende Heilung wirkt sich nicht nur zulasten des Zeichners, sondern auch zu seinen Gunsten aus.^[4783]

[4783] MüKo-AktG/Peifer, § 185 Rn 52; GK-AktG/Wiedemann, § 185 Rn 57.

dd) Fehler bei Ausgestaltung der Größe der ausgegebenen Aktien (§ 8 Abs. 2, 3 AktG)

Rz. 1913

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AktG müssen Nennbetragsaktien auf mindestens 1,00 EUR lauten. Aktien über einen geringeren Nennbetrag sind nichtig. Höhere Aktiennennbeträge müssen auf volle EUR lauten. Bei Stückaktien darf der auf die einzelne Aktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals gem. § 8 Abs. 3 AktG einen EUR nicht unterschreiten. Ein dagegen verstoßender Hauptversammlungsbeschluss ist nichtig (§ 241 Nr. 3 AktG). Trägt das Registergericht den Kapitalerhöhungsbeschluss und die Durchführung in das Handelsregister ein, sind die Kapitalerhöhung und die neuen Mitgliedschaftsrechte wirksam entstanden.^[4784] Die wertpapiermäßige Verbriefung dieser Anteile ist aber wegen § 8 Abs. 2 Satz 2 AktG nichtig.^[4785] Eine Übertragung der Mitgliedschaft ist dann nur nach den allgemeinen Vorschriften des BGB möglich, nicht aber nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen.^[4786] Ebenso droht ein Amtslöschungsverfahren nach § 399 FamFG.^[4787] Entsprechendes gilt bei einem Verstoß gegen § 8 Abs. 3 Satz 3 AktG.^[4788] Wird dagegen ein gegen § 8 Abs. 2 Satz 4 verstoßender satzungsändernder Beschluss trotz Anfechtbarkeit eingetragen, w...