Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 920
Nach § 112 AktG wird die AG ggü. Vorstandsmitgliedern zwingend (zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 112 AktG s.o. Rdn 882) durch den Aufsichtsrat vertreten. Dies gilt auch nach Ausscheiden des Betroffenen aus dem Vorstand, auch ggb. der Witwe eines ausgeschiedenen Vorstands sowie für künftige Vorstandsmitglieder, soweit es jedenfalls um Rechtsgeschäfte geht, die im Vorfeld der beabsichtigten Bestellung erfolgen und mit dieser im Zusammenhang stehen. Erfasst werden z.B. Beraterverträge mit ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern. Teilweise wird vertreten, "neutrale Geschäfte", die ihren Ursprung weder sachlich noch zeitlich in der vormaligen Vorstandstätigkeit haben, würden nicht unter § 112 AktG fallen. Die h.M. lehnt eine solche Ausnahme ab. Der Abschluss einer D&O-Versicherung fällt dagegen nicht unter § 112 AktG, auch wenn der Vorstand Begünstigter ist (s. dazu bereits o. Rdn 890 ff.).
Rz. 921
§ 112 AktG ist nicht anwendbar, wenn es um einen Vertrag der AG mit einer anderen Gesellschaft geht, an der ein Vorstandsmitglied (maßgeblich) beteiligt ist, es sei denn, es liegt ein Fall wirtschaftlicher Identität vor. Voraussetzung ist aber, dass die wirtschaftliche Identität dauerhaft und rechtsbeständig ist (z.B. Stimmbindungsverträge). Der BGH hat dies bei einer Einmann-GmbH, bei der der Vorstand Alleingesellschafter ist, bejaht. Dabei hat er in einem obiter dictum angedeutet, das Gleiches gilt, wenn der Vorstand nur maßgeblich oder beherrschend an der anderen Gesellschaft beteiligt ist bzw. im Falle "wirtschaftlicher Identität," wenn der Vorstand nur über sämtliche Vermögens-, nicht aber auch über sämtliche Verwaltungsrechte verfügt oder aber nur eine (mittelbare) Treuhandbeteiligung vorliegt. Eine wirtschaftliche Identität besteht nicht, wenn an dem Vertragspartner der AG neben dem Vorstandsmitglied dessen Familienangehörige beteiligt sind. Bloße familiäre Beziehungen oder eine "soziale Beherrschung" genügen nicht.
Rz. 922
Sollen einzelne Vorstandsmitglieder der AG zu Geschäftsführern oder Vorständen in Tochtergesellschaften bestellt oder dort entlastet werden, ist nach h.M. § 112 AktG unanwendbar, wenn es im Konzernverhältnis lediglich um Rechtsgeschäfte geht, die ausschließlich die abhängige Gesellschaft berühren. Danach vertritt bspw. der Aufsichtsrat die AG nicht als Kommanditistin und alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH in einer GmbH & Co. KG bei Abschluss eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages der KG mit einem Vorstandsmitglied der AG. Es liegt jedoch ein Verstoß gegen § 181 1. Alt. BGB vor, wenn ein Vorstand einer AG zum Geschäftsführer einer GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die AG ist, bestellt wird. GRds. erteilt die Genehmigung ein anderes vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied, bei dem es diesen Interessenkonflikt nicht gibt. Offen ist, ob die Genehmigung der Aufsichtsrat erteilt oder ein (ggf. noch zu bestellendes) stellvertretendes Vorstandsmitglied nach § 105 Abs. 2 AktG, wenn der Vorstand hierzu mangels einer ausreichenden Anzahl nicht in einem Interessenkonflikt stehender Vorstandsmitglieder nicht dazu in der Lage ist.
Rz. 923
Ist eine AG und eines ihrer Vorstandsmitglieder an einer GmbH beteiligt und ist dort eine Satzungsänderung oder eine Strukturmaßnahme zu beschließen, ist dies ein Insichgeschäft i.S.d. § 112 AktG. Bei "einfachen" Gesellschafterbeschlüssen gilt aber § 112 AktG nicht.
Rz. 924
Soll in einer Tochtergesellschaft deren Vorstand/Geschäftsführer – soweit gesetzlich zulässig – von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden und ist der die AG als Gesellschafterin vertretende Vorstand selbst nicht von § 181 BGB befreit, ist eine solche Befreiung von § 181 BGB zulässig, wenn die Vertretungsorgane in der Tochtergesellschaft personenverschieden sind zum Vorstand der AG. Im Fall der Personenidentität ist die Anwendung des § 112 AktG str.
Rz. 925
Eine besondere Vertretungsbefugnis besteht in § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG bei Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer. Ebenso besteht eine Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Einsichts- und Prüfungsrechte gem. § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG. Dies umfasst auch die gerichtliche Vertretung der Gesellschaft gegenüber einem Sachverständigen.
Rz. 926
Zuständig zur Vertretung ist der gesamte Aufsichtsrat. Die Willensbildung im Aufsichtsrat setzt einen Beschluss nach § 108 Abs. 1 AktG voraus, der nach § 107 Abs. 3 AktG einem Ausschuss, nicht aber einem einzelnen Mitglied oder dem Aufsichtsratsvorsitzenden, übertragen werden kann. Handelt ein einziges Aufsichtsratsmitglied, insbes. der Aufsichtsratsvorsitzende ohne einen vorhergehenden Beschluss, kann dieser Beschluss noch nachträglich ergehen.
Rz. 927
Es ist str., ob der Grundsatz der Gesamtvertretung im Außenverhältnis gilt. Nach einer Ansicht gelte dieses Prinzip uneingeschrä...