Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 271
Gläubigern der Gesellschaft haftet der Geschäftsführer, wenn er nicht rechtzeitig den Insolvenzantrag stellt und diese daraufhin einen Schaden erleiden, z.B. weil sie mit der insolventen GmbH einen Vertrag schließen, den die GmbH nicht mehr erfüllen kann (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO, ggf. strafbar nach § 15a Abs. 4, 5 InsO) oder der Geschäftsführer an den Vertragsverhandlungen beteiligt ist, aber nicht auf die (drohende) Insolvenz hinweist (culpa in contrahendo, §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB). Nach h.M. genügt für eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1, 3 InsO bereits das (einfach) fahrlässige Unterlassen der Insolvenzantragstellung. Bei objektiver Versäumung der Insolvenzantragspflicht wird ein Verschulden vermutet. Den Geschäftsführer bzw. Gesellschafter trifft dann die Darlegungs- und Beweislast für eine nicht schuldhafte Verletzung der Insolvenzantragspflicht.
Fehlt dem Geschäftsführer bzw. Gesellschafter die eigene Sachkunde zur Feststellung der Insolvenzreife, muss er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem sachkundigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lassen und die Ergebnisse der Beratung auf Plausibilität kontrollieren. Daneben muss er nach der Auftragserteilung für die sofortige Bearbeitung und Prüfung sorgen und auf die umgehende Vorlage des Prüfungsergebnisses hinwirken. Das Gutachten des externen Sachverständigen muss er auf Plausibilität und Sorgfältigkeit (Nennung von Quellen und Rspr.; Widerspruch zu branchenüblichen Ansichten) überprüfen. Die Rspr. stellt hier Anforderungen, die selbst für juristisch vorgebildete Geschäftsführer nur schwer zu erfüllen sind. In diesem Zusammenhang kann der mit der Gesellschaft geschlossene Beratungsvertrag, welcher die Prüfung einer möglichen Insolvenzreife der Gesellschaft zum Gegenstand hat, ausnahmsweise auch drittschützende Wirkung zugunsten des Geschäftsführers und der Gesellschafter entfalten.
Die verspätete Stellung des Insolvenzantrags kann auch zu einer Haftung wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB führen. Ein Geschäftsführer haftet jedoch auch, wenn er pflichtwidrig (zu früh) Insolvenzantrag stellt. Denn allein die drohende Zahlungsunfähigkeit löst noch keine unverzüglich zu erfüllende Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO aus, sondern gibt lediglich ein Recht zur Antragstellung (auch noch keine Haftung aus Insolvenzverschleppung). In diesem Stadium bedarf die Insolvenzantragstellung eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses.
Weitere Haftungsrisiken drohen dem Geschäftsführer, wenn er Sozialversicherungsbeiträge nicht begleicht (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB). Zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ist er verpflichtet, wenn der Zeitraum zur Prüfung der Insolvenzreife abgeschlossen ist und nach wie vor Insolvenzgründe vorliegen, aber kein Insolvenzantrag gestellt wurde. Da es sich hierbei um eine öffentlich-rechtliche Pflicht handelt, bleibt der Geschäftsführer unabhängig von einer internen Zuständigkeitsverteilung oder Delegation auf andere Personen verantwortlich; ggf. muss er die anderen Geschäftsführer überwachen, um die Pflichtenerfüllung sicherzustellen.
Rz. 272
Hinsichtlich der Schadensberechnung ist zwischen vertraglichen Neu- und Altgläubigern zu unterscheiden. Altgläubiger bekommen nur den sog. Quotenschaden ersetzt, während Neugläubiger das gesamte negative Interesse ersetzt verlangen können. In letzterem Fall ist umstritten, ob der auf Ersatz des negativen Interesses gerichtete Anspruch über den Kontrahierungsschaden hinaus auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse zu erstrecken ist. Ob jemand Alt- oder Neugläubiger ist, entscheidet der Vertragsschluss mit der Gesellschaft – nach Bestehen der Insolvenzantragspflicht spricht man von Neugläubigern, vor Bestehen der Insolvenzantragspflich spricht man von Altgläubigern. Bei Dauerschuldverhältnissen ist zu differenzieren und auf den Zeitabschnitt abzustellen, für den die jeweilige Forderung entstanden ist.
Rz. 273
Der Schadenersatzanspruch verjährt gem. § 195 BGB nach drei Jahren; anders als früher diskutiert, findet § 43 Abs. 4 GmbH insoweit keine analoge Anwendung.
Rz. 274
Des Weiteren besteht eine Haftung der Geschäftsführer gegenüber der GmbH für Zahlungen bei Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) der Gesellschaft (§ 15b Abs. 4 Satz 1 InsO; dieser hat mit Wirkung zum 1.1.2021 als rechtsformneutrale Regelung den bisherigen § 64 GmbHG abgelöst). Der Begriff der Zahlungen ist weit auzulegen und umfasst sämtliche Schmälerungen des zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehenden Gesellschaftsvermögens. Privilegiert sind Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (§ 15b Abs. 1 Satz 2 InsO). Hierzu zählen zur Aufrechterhaltung des des Geschäftsbetriebs dienende Zahlungen, sowi...