Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 2072
Die Form von gesellschaftsrechtlichen Verträgen richtet sich nach dem Geschäftsstatut, also dem Recht am Sitz der Gesellschaft. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für die Form der notariellen Beurkundung entschieden, um die materielle Richtigkeit des Gründungsverfahrens zu gewährleisten.
Die Rspr. geht für das deutsche Recht daher davon aus, dass eine Beurkundung im Ausland nur dann zulässig sein kann, wenn sie der Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig ist. Hiervon ist auszugehen, wenn der Beurkundende nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, welches den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht. Ein ausländischer Notar wird i.d.R. mit dem anzuwendenden (deutschen) Recht nicht in derselben Weise vertraut sein, wie der deutsche Notar. Das ist insofern zwangsläufig, da ein ausländischer Notar i.d.R. weder das deutsche Recht studiert haben noch es täglich anwenden wird. Zwar geht die obergerichtliche Rspr. davon aus, dass die Beurkundung durch einen in Basel residierenden Schweizer Notar und einem österreichischem Notar als der durch einen deutschen Notar durchaus gleichwertig sind. Dies betraf in der Vergangenheit überwiegend Fälle zur Geschäftsanteilsabtretung. Nach richtiger Ansicht ist die Auslandsbeurkundung jedoch aus Gründen materieller Richtigkeitsgewähr immer bei Strukturbeschlüssen ausgeschlossen, wozu insbesondere auch die Verschmelzung zählt. Anders als im überschaubaren Zessionsrecht bedarf es in diesem Bereich genauer Kenntnis des nationalen Umwandlungs-, Aktien- und (ggf.) GmbH-Rechts, der nationalen Auslegungsregeln und des nationalen Registerrechts. Nur dann kann dem Gebot materieller Richtigkeitsgewähr ausreichend genügt werden. Brisanz hat die Problematik angesichts zweier neuerer Entscheidungen des Kammergerichts Berlin zu gesellschaftsrechtlichen Strukturbeschlüssen gewonnen. Dies betraf einmal die Gründung einer GmbH im Kanton Bern und einmal die Beurkundung eines Verschmelzungsvertrags sowie die betreffenden Zustimmungsbeschlüsse in Basel. Beides wurde vom Kammergericht für zulässig befunden, was eine heftige Diskussion und ganz überwiegende Ablehnung in der Literatur hervorrief. Der Praxis ist zu Recht dringend davon abzuraten gesellschaftsrechtliche Strukturbeschlüsse im Ausland beurkunden zu lassen. Im Jahr 2020 traf der BGH die Entscheidung, dass die Auflassung nur gültig erklärt werden kann, wenn sie von den gleichzeitig Anwesenden vor einem Notar im Inland abgegeben wird. Es ist daher daran festzuhalten, dass immer dann, wenn eine deutsche Gesellschaft beteiligt ist, der Verschmelzungsplan zur Gründung einer SE (auch) in Deutschland zu beurkunden ist.
Rz. 2073
Zu beachten ist auch, dass Art. 18 SE-VO für die (Vorbereitungs-)Phase, in denen die Gründungsgesellschaften ohne die Mitwirkung der anderen Gründungsgesellschaften handeln, auf das nationale Recht verweist. Dies ist eine der Verweisungen, die der bewussten Lückenhaftigkeit der SE-VO insofern Rechnung trägt, als dass sie das anzuwendende Recht bestimmt. Ebenso wie bei einer bestehenden Europäischen Gesellschaft (SE) sind bei der Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) in ganz erheblichem Maße nationale Regelungen zu beachten. Nicht tragfähig ist daher die Argumentation, dass ein ausländischer Notar die rechtlichen Fragestellungen in der gleichen Qualität wie ein deutscher Notar zu behandeln wüsste.
Da auf die Europäische Gesellschaft (SE) zum großen Teil auch nationale Regelungen Anwendung finden, insb. auch in der Gründungsphase, stellt die Supranationalität keine Rechtfertigung für die Zulässigkeit einer Auslandsbeurkundung dar. Die Überschneidung von deutschem und europäischem Recht erfordert gerade einen besonders sachkundigen Überblick über das deutsche Aktien- und Umwandlungsrecht sowie das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Soweit ausländische Rechtsordnungen wie z.B. in Österreich auch die Online-Beurkundung weitergehend als das deutsche Recht eröffnen, stehen nach h.M. derartige Beurkundungsverfahren für nach deutschem Recht erforderliche Beurkundungen nicht offen. Der Verschmelzungsplan kann also nicht anstelle in Deutschland z.B. in Österreich online beurkundet werden.
Rz. 2074
Die umgekehrte Konstellation ist nach Auffassung des BGH ebenso unzulässig. Einem deutschen Notar ist es durch § 11 Abs. 2 BNotO verwehrt, im Ausland eine Beurkundung vorzunehmen. Ohne dies ausdrücklich zu untersagen, geht diese Bestimmung unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung augenscheinlich davon aus, dass Beurkundungen deutscher Notare im Ausland wegen des hoheitlichen Charakters und des Territorialitätsprinzips von vornherein ausgeschlossen sind.