Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1460
§ 118a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG gewährleistet, dass die Aktionäre in der virtuellen Hauptversammlung ihr Auskunftsrecht nach § 131 AktG im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.
Rz. 1461
Es handelt sich dabei um ein vollwertiges Auskunftsrecht. Der Aktionär kann daher in der virtuellen Hauptversammlung wie in der Präsenzversammlung grds. seine Fragen im Wege der elektronischen Kommunikation direkt in der Hauptversammlung stellen.
Rz. 1462
Ähnlich wie schon beim COVMG kann der Vorstand gem. § 131 Abs. 1a ff. AktG vorgeben, dass Fragen bis spätestens drei Tage vor der Hauptversammlung eingereicht werden müssen. Eine Zustimmung des Aufsichtsrats ist nicht erforderlich. Für die Fristberechnung gilt § 121 Abs. 7 AktG, d.h. der Tag der Hauptversammlung rechnet nicht mit, so dass "drei Tage vor der Hauptversammlung" tatsächlich der 5. Tag vor der Hauptversammlung ist.
Rz. 1463
Macht der Vorstand von diesem Recht Gebrauch, besteht ein Auskunftsrecht in der Versammlung nicht mehr, ausgenommen ein Nachfragerecht gem. § 131 Abs. 1d AktG sowie Auskunftsrecht zu nachträglich bekanntgewordenen Sachverhalten gem. § 131 Abs. 1e AktG. Nicht fristgerecht eingereichte Fragen müssen nicht beantwortet werden (§ 131 Abs. 1a Satz 3 AktG).
Rz. 1464
Nach § 131 Abs. 1b AktG kann der Vorstand in der Einberufung den Umfang der Einreichung von Fragen angemessen beschränken. Auch kann das Recht zur Einreichung von Fragen von vornherein auf ordnungsgemäß angemeldete Aktionäre beschränkt werden.
Rz. 1465
Bei der Festlegung der angemessenen Beschränkung ist der zu erwartende Gesamtzeitrahmen der Versammlung zugrunde zu legen. Dabei geht der Gesetzgeber von einer Dauer einer "normalen" Hauptversammlung von insgesamt vier bis sechs Stunden aus.
Rz. 1466
Eine angemessene Beschränkung kann mittels Vorgabe einer Höchstzahl von Fragen pro Aktionär (max. 50 Fragen) sowie in einer Zeichenbeschränkung erfolgen. Meist wurde bisher ein Limit bei 5.000 bzw. 10.000 Zeichen gesetzt. Ebenso zulässig ist es, wenn in der Einberufung eine Höchstzahl von zulässigen Fragen insgesamt genannt wird. Angemessen ist eine solche Beschränkung nach Ansicht des Rechtsausschusses des Bundestags, wenn sich die Beschränkung der Fragenzahl an der in den vergangenen (virtuellen) Hauptversammlung durchschnittlich eingereichten Fragen orientiert, sofern sich die Tagesordnungspunkte der Versammlungen weitgehend entsprechen. Maßstab sei der aus der Präsenzversammlung bekannte Grundsatz, dass eine "normale" Hauptversammlung innerhalb von vier bis sechs Stunden beendet und innerhalb dieser Zeitspanne auch alle Fragen der Aktionäre beantwortet werden können.
Rz. 1467
Ordnungsgemäß eingereichte Fragen sind vor der Versammlung allen Aktionären zugänglich zu machen und bis spätestens einem Tag vor der Versammlung zu beantworten. Sind die Antworten einen Tag vor Beginn und in der Versammlung durchgängig zugänglich, darf der Vorstand in der Versammlung die Auskunft zu diesen Fragen verweigern (§ 131 Abs. 1c Satz 4 AktG).
§ 131 Abs. 1d AktG gewährt jedem elektronisch zu der Versammlung zugeschalteten Aktionär ein Nachfragerecht zu allen vor und in der Versammlung gegebenen Antworten des Vorstandes. Ein solches Recht gab es bei den nach dem COVMG durchgeführten Hauptversammlungen nicht.
Rz. 1468
Für ein solches Nachfragerecht muss ein sachlicher Zusammenhang zu einer bereits gegebenen Antwort bestehen. Das Nachfragerecht steht jedem zugeschalteten Aktionär zu und nicht nur denjenigen, die selbst Fragen gestellt haben.
Rz. 1469
Soweit Fragen nach § 131 Abs. 1a AktG im Vorfeld der virtuellen Versammlung gestellt werden müssen, gewährt § 131 Abs. 1e AktG das Recht auf Auskunft zu Fragen zu erst nachträglich bekanntgewordenen Sachverhalten. Solche Fragen können auch noch in der Versammlung selbst gestellt werden. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass Fragen, die aufgrund objektiver Sichtweise bereits vor der Versammlung hätten gestellt werden können, also nicht auf neuen Sachverhalten beruhen, nicht beantwortet werden müssen.
Rz. 1470
Die neuen Abs. 1a ff. des § 131 AktG gelten bei der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung nicht nur für das eigentliche Auskunftsrecht nach § 131 AktG, sondern auch für alle sonstigen Auskunftsansprüche (z.B. §§ 293g Abs. 3, 295 Abs. 2 Satz 3, 319 Abs. 3 Satz 5 AktG, § 64 Abs. 2 UmwG).