Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 467
Mit den Anfechtungsregelungen nach der InsO und dem AnfG knüpft der Gesetzgeber an die Rspr. zum sog. eigenkapitalersetzenden Darlehen an. Die Grundüberlegung besteht darin, dass der Gesellschafter, der der Gesellschaft in der Krise statt Eigenkapital Fremdkapital zur Verfügung stellt, nicht den übrigen Fremdkapitalgebern gleichgestellt werden soll. Kraft seines Wissensvorsprungs und seiner größeren Nähe zur Gesellschaft sollen derartige Darlehen subordiniert werden und in dem Fall, dass ein Insolvenzantrag gestellt wird, zurückgewährt werden. Mit der Umstellung durch das MoMiG hat der Gesetzgeber ganz bewusst davon abgesehen, die Anfechtbarkeit von dem Vorliegen einer "Krise" abhängig zu machen. Aus Gründen der Rechtssicherheit knüpft er allein daran an, dass die Rückzahlung auf das Darlehen in dem Zeitraum von einem Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags erfolgt ist. Die Anfechtungsregeln knüpfen i.Ü. sehr eng an die Rspr. von vor 2008 an. Die Rspr. hat in der Folge die Rückgewährung von Leistungen an den Gesellschafter in drei Richtungen ausgeweitet:
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der Darlehensgewährung vergleichbare Vertragsgestaltungen |
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dem Gesellschafter gleichzustellende Dritte |
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der Darlehensgewährung gleichzustellende Besicherungsfälle. |
aa) Der Darlehensgewährung vergleichbare Vertragsgestaltungen
Rz. 468
Gesellschafterdarlehen i.S.d des § 39 Abs. 1 Nr. 5 Var. 1 InsO sind jede Art von Darlehen somit auch zinslose und partiarische Darlehen, Patronatserklärungen sowie Überbrückungskredite. Für die Einordnung ist es nicht maßgeblich, ob der Gesellschafter zunächst der Gesellschaft Mittel zur Verfügung stellt, damit diese in der Folge die Mittel verwenden kann, oder der Gesellschafter unmittelbar die Beträge einsetzt, um z.B. Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu begleichen. Zu sog. Kontokorrentverhältnissen vertritt der BGH die Auffassung, dass hier nur die sog. Kreditobergrenze den Betrag ausmacht, der anfechtbar ist, nicht aber auf die jeweilige Einzelleistung abzustellen ist. Staffeldarlehen sind nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Zahlungsvorgänge im Rahmen derartiger Kontokorrentverhältnisse/Staffeldarlehen eng miteinander verknüpft sein müssen, also dass die eine Darlehensgewährung die andere jeweils im engen zeitlichen Zusammenhang ersetzt. Ein solcher enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht dann nicht, wenn zwischen den einzelnen Vorgängen ein längerer (z.B. zwei Monate) Zeitraum verstreicht.
Inwieweit nach den gleichen Grundsätzen auch sog. Cashpoolvereinbarungen zu beurteilen sind, hat der BGH bisher offengelassen.
Rz. 469
Im Fall der Anfechtung sind nicht nur Tilgungsleistungen auf das Darlehen zurückzugewähren, sondern auch die Zinszahlungen, die dem Gesellschafter gewährt wurden. Die Rspr. hat in der Folge in weitem Umfang andere Vertragskonstellationen dem Darlehen gleichgestellt und nur in wenigen und eher seltenen Fällen dort, wo der Gesellschaft Mittel zur Verfügung gestellt wurden, die rückzahlbar waren, eine Vergleichbarkeit zu einem Darlehensvertrag verneint.
Einem Darlehen ist jedoch die Zahlung eines Altersruhegelds aufgrund einer betrieblichen Altersversorgung nicht gleichzustellen. Der IX. Zivilsenat des BGH ist aufgrund der Gesetzgebungsgeschichte zum MoMiG der Auffassung, dass der Gesetzgeber ausdrücklich die sog. eigenkapitalersetzende Gebrauchsüberlassung der Darlehensgewährung nicht länger habe gleichstellen wollen. Die insoweit lange strittige Frage ist somit beantwortet. Allerdings kann sich die Forderung aus einem Nutzungsüberlassungsvertrag dann in eine darlehensgleiche Leistung umwandeln, wenn die Forderung auf das Nutzungsentgelt mehr als drei Monate ausdrücklich oder konkludent gestundet wird.
Rz. 470
Der Darlehensgewährung werden auch Konstruktionen gleichgestellt, bei denen der Gesellschafter einen fälligen Anspruch gegen die Gesellschaft "stehenlässt". Hier ist nicht nur an den Fall des "stehengelassenen" Nutzungsentgelts zu denken, sondern auch an Forderungen aus Miet- und Pachtverträgen, Kaufpreis, Lohn sowie Urlaubsabgeltungsforderungen. Insbesondere gilt dies, wenn der Gesellschafter einen aus dem Gewinnverwendungsbeschluss folgende Forderung "stehen lässt". Im Fall der gestundeten Lohnforderungen eines Gesellschafter-Arbeitnehmers divergiert die Rspr. des BAG von der des BGH. Der BGH sieht keinen Grund für eine Privilegierung der Arbeitnehmer.
Lange war umstritten, inwieweit die Ausschüttung von thesaurierten Gewinnen der Darlehensgewährung gleichzusetzen ist. Jedenfalls für die Ein-Personen-GmbH folgt der BGH der Auffassung, dass die Ausschüttung thesaurierter Gewinne der Darlehensgewährung gleichzusetzen sei.
Der Darlehensgewähr stellt die Rspr. auch die typische oder atypisch stille Gesellschaft gleich, die mit einem Gesellschafter vereinbart wurde. Die bei Auflösung dieser stillen Gesellschaft an den typ...