Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1025
In vermögensrechtlicher Sicht haben die Aktionäre nur Anspruch auf den Bilanzgewinn (§ 58 Abs. 4 AktG). Eine Vergütung für statutarische Nebenleistungen ist darüber hinaus nach § 61 AktG zulässig. I.Ü. ist nach dem Kapitalerhaltungsgrundsatz eine Einlagenrückgewähr unzulässig (§ 57 AktG). § 57 Abs. 1 AktG erfasst Leistungen der AG an den Aktionär. Ebenso fallen darunter Leistungen an Dritte, die im wirtschaftlichen Ergebnis dem Aktionär zugutekommen, wie insb. Leistungen an nahe Angehörige oder an verbundene Unternehmen. In Betracht kommt das Verbot des § 57 AktG auch bei atypisch stillen Gesellschaftern.
Rz. 1026
Werden Einlagen zurückgewährt, ist sowohl das schuldrechtliche wie auch das dingliche Rechtsgeschäft wirksam. Eine Nichtigkeit des Verpflichtungs- und/oder Verfügungsgeschäfts nach § 134 BGB kommt nicht in Betracht. Es besteht lediglich ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär nach § 62 AktG. Schuldner des Anspruchs ist auch der faktische Aktionär, der, wirtschaftlich betrachtet, eine Aktionärsposition bekleidet und als Treugeber die Aktien durch einen anderen halten lässt. Auch zukünftige Aktionäre können in Anspruch genommen werden, wenn zwischen der verbotswidrigen Leistung und dem Erwerb der Aktien ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die Leistung mit Rücksicht auf die künftige Aktionärseigenschaft erfolgt.
Rz. 1027
Der Anwendungsbereich des § 57 AktG geht über die schlichte Rückzahlung der Einlage hinaus. Die Vorschrift erfasst jede von der AG an den Aktionär erbrachte und auf dessen Gesellschafterstellung beruhende Leistung außerhalb der Verteilung des Bilanzgewinns, die nicht ausnahmsweise gesetzlich zulässig ist. Typische Fälle sind Umsatzgeschäfte, bei denen zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektives Missverhältnis besteht (verdeckte Gewinnausschüttung), die Übernahme von Sicherheiten für Darlehen, die Aktionären von Dritten gewährt wurden oder etwa der Abkauf von Anfechtungsklagen. Eine unmittelbare Zuwendung an den Aktionär ist nicht erforderlich. Auch die Übernahme der Prospektverantwortlichkeit durch die AG im Zuge einer Umplatzierung von Aktien der Gesellschaft kann eine verbotene Einlagenrückgewähr nach §§ 57, 62 AktG sein. Kein Fall der Einlagenrückgewähr ist die Zahlung des Erwerbspreises oder die Stellung von Sicherheiten beim zulässigen Erwerb eigener Aktien (§ 57 Abs. 1 Satz 2 AktG). Es muss ein objektiver Zusammenhang mit dem Aktienerwerb als solchen bestehen. Allein dass die Sicherheit dem "Behalt" der Aktien dient, genügt nicht. In Konzernsachverhalten werden die §§ 57, 62 AktG durch § 311 AktG verdrängt.
Rz. 1028
Str. ist, ob ein objektives Missverhältnis ausreicht, oder ob darüber hinaus die AG die Leistung bewusst nur wegen der Aktionärseigenschaft des Empfängers erbringt. Die h.M. verlangt ein solches subjektives Element nicht.
Rz. 1029
Aktionärsdarlehen (absteigende Darlehen der Aktionäre an die Gesellschaft sowie vergleichbare Rechtshandlungen wie z.B. die Nutzungsüberlassung) unterfallen nach § 57 Abs. 1 Satz 4 AktG grds. nicht mehr wie früher dem Eigenkapitalersatzrecht. Stattdessen richten sich die Rechtsfolgen für Aktionärsdarlehen ausschließlich nach dem Insolvenzrecht (Nachrangigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. Insolvenzanfechtung nach § 135 InsO). Während früher die Beteiligungsschwelle im Aktienrecht für eigenkapitalersetzende Darlehen bei 25 % lag, fällt nunmehr grds. jedes Aktionärsdarlehen unter diese Regelungen. Der Aktionär muss aber mit mehr als 10 % an der Gesellschaft beteiligt sein (§ 39 Abs. 5 InsO). Außerhalb des Sanierungsprivilegs nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO kommt es auf eine Darlehensgewährung oder ein Stehenlassen des Darlehens in der Krise nicht mehr an. Das Risiko der Insolvenzanfechtung nach § 135 InsO ist namentlich im Cash-Pool nicht zu unterschätzen, v.a. weil unklar ist, ob jede einzelne Verrechnung im Cash-Pool als "anfechtbare" Rückzahlung auf ein Gesellschafterdarlehen gewertet wird. Denkbar ist aber, dass hier das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO bzw. die Rspr. zur Anfechtung von Kontokorrentverrechnungen greift.
Rz. 1030
Hat ein Aktionär seiner Gesellschaft ein Darlehen gewährt und will er nunmehr seine Beteiligung veräußern, ist wegen dieser insolvenzrechtlichen Sonderbehandlung des Aktionärsdarlehens dringend zu empfehlen, dass mit den Aktien gleichzeitig auch das Aktionärsdarlehen übertragen wird.
§ 135 Abs. 3 InsO stellt klar, dass eine (eigenkapitalersetzende) Nutzungsüberlassung nicht mehr den Gesellschafterdarlehen und "Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen" (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), gleichgestellt wird. Die Rechtsfolgen der Gesellschafterdarlehen finden keine Anwendung.
Rz. 1031
Aufsteigende Darlehen, d.h. Darlehen der AG an ihre Aktionäre, stellen nach § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG ebenso keine ver...