Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1955
Strukturmaßnahme ist auch die Gesamtvermögensveräußerung nach § 179a AktG. Danach ist eine Zustimmung der Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit erforderlich, wenn sich die AG zur Übertragung ihres gesamten Vermögens verpflichtet. Die Vorschrift greift auch ein, wenn zwar nicht das gesamte Gesellschaftsvermögen veräußert wird, die verbleibenden Vermögensgegenstände aber nicht mehr ausreichen, um den in der Satzung festgesetzten Unternehmensgegenstand weiter zu verwirklichen. Ob es sich bei dem zurückbehaltenen Vermögen um wesentliches oder unwesentliches Vermögen handelt, ist unerheblich. Unklar ist, ob § 179a AktG bei der Übertragung von Einzelgegenständen eine Kenntnis des Vertragspartners voraussetzt. Kann infolge der Übertragung nur ein Teil des bisherigen Unternehmensgegenstandes nicht mehr weiterbetrieben werden, scheidet § 179a AktG aus. Notwendig ist aber eine Satzungsänderung, wenn der Vorstand den Unternehmensgegenstand unterschreitet, weil er bislang von der Gesellschaft ausgeübte Aktivitäten wegen dieser Teilübertragung nicht mehr fortsetzen kann. Vermögensübertragungen nach dem UmwG fallen nach dem Wortlaut des § 179a AktG nicht unter die Vorschrift.
Rz. 1956
Liegt ein Gesamtvermögensgeschäft vor, muss die Hauptversammlung dem mit satzungsändernder Mehrheit zustimmen. Statthaft ist eine vorherige Einwilligung wie auch die nachträgliche Genehmigung. Keine Zustimmung ist erforderlich, wenn ein Beschluss über den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand den Übertragungsvertrag oder seinen Entwurf in sich aufnimmt. In jedem Fall ist der Vertrag gem. § 179a Abs. 2 AktG von der Einberufung der Hauptversammlung an auszulegen. Der Vertrag ist mit seinem wesentlichen Inhalt in der Einberufung bekanntzumachen (§ 124 Abs. 2 Satz 3 AktG). Der Vorstand hat den Vertrag in der Hauptversammlung zu erläutern; der Niederschrift ist er als Anlage beizufügen. Den Vertrag selbst schließt der Vorstand der AG. Wegen § 311b Abs. 3 BGB ist notarielle Beurkundung erforderlich. Der formnichtige Vertrag wird nicht durch Erfüllung geheilt. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht anwendbar.
Werden die Vorgaben des § 179a AktG nicht beachtet, ist der schuldrechtliche Vertrag (schwebend) unwirksam. Die Zustimmung der Hauptversammlung ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Das dingliche Vollzugsgeschäfts ist grds. wirksam.
Rz. 1957
Aus § 179a Abs. 3 AktG folgt, dass die Vermögensübertragung nicht unmittelbar zur Auflösung der Gesellschaft führt. Die Übertragung kann aber mit der Auflösung verbunden werden. Von einer "übertragenden Auflösung" spricht man, wenn eine AG bei gleichzeitiger Veräußerung aller Vermögensgegenstände an einen einzigen Erwerber, insb. den Mehrheitsgesellschafter, aufgelöst wird. Für die beiden Beschlüsse der Hauptversammlung (Zustimmung zur Vermögensübertragung nach § 179a Abs. 1 und Auflösungsbeschluss nach § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG) genügt jeweils eine ¾-Kapitalmehrheit. Die 95 %-Grenze wie beim Squeeze-Out (§ 327a Abs. 1 AktG) gilt nicht. Die Minderheitsaktionäre haben Anspruch auf volle Entschädigung. Str. ist, ob sie die Werthaltigkeit dieses Anspruchs mittels Anfechtungsklage oder mittels Spruchverfahren gerichtlich überprüfen lassen können.