Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 882
Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG haben Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Fehlt dem Vorstand im konkreten Fall die notwendige Sachkunde, muss er sich fremden qualifizierten Rat einholen. Holt er sich diesen Rat nicht ein, haftet er ebenso. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bestimmt hierzu ergänzend, dass eine Pflichtverletzung dann nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Der Gesetzgeber hat damit die aus dem angelsächsischen Rechtskreis stammende Business Judgement Rule, wie sie auch bereits vom BGH in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung dargestellt wurde, übernommen. Die Vorschrift soll den Bereich fehlgeschlagener unternehmerischer Entscheidungen abgrenzen von einer Sorgfaltspflichtverletzung i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Nach Ansicht des Gesetzgebers müssen für § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG folgende Merkmale gegeben sein:
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unternehmerische Entscheidung, |
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Gutgläubigkeit, |
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Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse sowie |
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Handeln zum Wohle der Gesellschaft auf der Grundlage angemessener Informationen. |
Dabei besteht ein weiter Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum, der voll ausgeschöpft werden darf, solange sich die Entschließung einerseits am Unternehmenswohl ausrichtet und andererseits keine völlig unvertretbaren Risiken beinhaltet.
Rz. 883
Verstoßen Vorstände schuldhaft gegen diese Sorgfaltspflicht, haften sie der Gesellschaft ggü. als Gesamtschuldner nach § 93 Abs. 2 AktG. Gleiches gilt bei einem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG und erst recht in den in § 93 Abs. 3 AktG genannten Fällen.
Rz. 884
In dem Schadensprozess gegen den Vorstand nach § 93 AktG hat die Gesellschaft nur ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Vorstands, den Eintritt und die Höhe des entstandenen Schadens sowie die adäquate Kausalität zwischen Vorstandshandeln und Schaden darzulegen und zu beweisen. Es genügt, wenn die Gesellschaft einen Sachverhalt vorträgt, aus dem sich mindestens die Möglichkeit eines pflichtwidrigen Organhandelns ergibt. Potentiell pflichtwidrige Handlungen sind substantiiert darzulegen. Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG besteht eine Beweislastumkehr zulasten des Vorstands. Dem Vorstand obliegt dann der Gegenbeweis nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, dass die in Streit stehende Handlung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters entsprach oder dass ihn kein Verschulden trifft. Steht ein Sonderfall des § 93 Abs. 3 AktG im Raum, wird darüber hinaus vermutet, dass der Gesellschaft ein Schaden i.H.d. abgeflossenen Mittel entstanden ist. Der Vorstand kann sich hierbei nur mit dem Nachweis entlasten, dass eine Schädigung der Gesellschaft nicht mehr möglich ist, weil der abgeflossene Betrag dem Gesellschaftsvermögen endgültig wieder zugeflossen ist.
Rz. 885
Die Haftung knüpft an die Organstellung an. Sie beginnt, sobald das betreffende Vorstandsmitglied seine Tätigkeit mit Billigung des Aufsichtsrates aufnimmt und endet mit Beendigung des Amtes. Auf einen wirksamen Anstellungsvertrag kommt es ebenso wenig an wie auf eine Handelsregistereintragung. Die Haftung trifft gleichfalls fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglieder und nach herrschender Meinung auch bloß faktische Vorstandsmitglieder, bei denen ein Bestellungsakt überhaupt fehlt, diese aber tatsächlich Vorstandsaufgaben wahrnehmen.
Rz. 886
Jedes Vorstandsmitglied ist für sein Ressort verantwortlich. Nicht zuständige Vorstandsmitglieder haben insoweit eine allgemeine Aufsichtspflicht wahrzunehmen. Die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung wird durch eine Geschäftsverteilung nicht aufgehoben. Grds. haftet danach das einem rechtswidrigen Beschluss zustimmende Vorstandsmitglied. Eine Pflicht, die Beschlussunfähigkeit des Vorstands herbeizuführen, besteht nicht. Das überstimmte oder sich enthaltende Vorstandsmitglied muss aber das ihm Mögliche und Zumutbare unternehmen, die Ausführung eines rechtswidrigen Vorstandsbeschlusses zu verhindern. In Betracht kommen hierfür Gegenvorstellungen bei den Vorstandskollegen oder die Information des Aufsichtsrates, nicht aber etwa eine Amtsniederlegung. Zurückhaltung besteht wegen der Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG bei einer etwaigen Information der Öffentlichkeit.
Rz. 887
Nach § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG ist die Schadensersatzpflicht ausgeschlossen, wenn die Handlung des Vorstands auf einem Hauptversammlungsbeschluss beruht. Ein Beschluss des Aufsichtsrates genügt nicht (§ 93 Abs. 4 Satz 2 AktG); desgleichen hilft ein nachträglicher Beschluss der Hauptversammlung nicht. Der Vorstand kann über § 119 Abs. 2 AktG einen derartigen Beschluss der Hauptversammlung herbeiführen. Der Beschluss der Hauptversammlung muss rechtmäß...