Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1553
Nichtige Hauptversammlungsbeschlüsse werden in den Fällen des § 242 AktG geheilt. Heilung bedeutet materiell-rechtliche Wirksamkeit mit rückwirkender Wirkung. Beruht die Nichtigkeit auf einem Beurkundungsfehler, wird die Nichtigkeit sofort mit Eintragung des Beschlusses im Handelsregister geheilt (§ 242 Abs. 1 AktG). Aufgrund von Einberufungsmängeln oder Inhaltsmängeln nach § 241 Nr. 1 und Nr. 3 oder Nr. 4 AktG nichtige Beschlüsse werden geheilt, wenn diese in das Handelsregister eingetragen worden und 3 Jahre verstrichen sind. Die Unanfechtbarkeit eines sittenwidrig erwirkten satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses schließt jedoch ein darauf gestütztes, auf Wiederherstellung der ursprünglichen Satzung gerichtetes Schadensersatzverlangen des geschädigten Gesellschafters nicht aus, soweit ihm nicht schutzwürdige Rechte Dritter entgegenstehen. Möglich ist ebenso eine Amtslöschung nach § 398 FamFG, wenn weiterhin ein öffentliches Interesse daran besteht. Eine besondere Heilung ist in § 242 Abs. 2 Satz 4 AktG vorgesehen, wenn einzelne Aktionäre bei der Einberufung nach § 121 Abs. 4 AktG übergangen worden sind. Hier kann der nicht geladene Aktionär die Heilung durch Genehmigung bewirken. Da sich die Norm an der Rechtslage im GmbH-Recht orientiert, kommt anstelle einer Genehmigung ebenso wie im GmbH-Recht auch ein vorheriger Rügeverzicht durch den nicht geladenen Aktionär in Betracht. Schließlich ist eine Heilung gem. § 242 Abs. 3 AktG bei nicht fristgemäß eingetragenen Kapitalveränderungen möglich. Hieraus folgt, dass auch sonst unwirksame Hauptversammlungsbeschlüsse analog § 242 Abs. 2 AktG durch Handelsregistereintragung und Ablauf einer 3-Jahresfrist geheilt werden. Für nicht in § 242 AktG genannte Fälle scheidet eine Heilung aus.
Rz. 1554
§ 244 AktG ermöglicht es, einen (möglicherweise) anfechtbaren Hauptversammlungsbeschluss zu bestätigen. Mit der Bestätigung wird nicht nur die Anfechtbarkeit beseitigt, sondern auch einer etwa mit der Anfechtungsklage erhobenen positiven Beschlussfeststellungsklage der Boden entzogen. Der Bestätigungsbeschluss ist der Rechtsakt, mit dem die Hauptversammlung ihren ersten Beschluss trotz möglicher Mängel als für die Zukunft rechtsbeständige Regelung anerkennt. Dies ist auch dann möglich, wenn der Versammlungsleiter z.B. ungültige Stimmen bei der Abstimmung mitzählt und damit das Abstimmungsergebnis unrichtig feststellt. Wird diese falsche Beschlussfeststellung ordnungsgemäß beurkundet, kommt der Beschluss als solcher wirksam zustande, ist aber anfechtbar. Damit ist er auch einer Bestätigung zugänglich.
Rz. 1555
Das Gegenstück ist die Wiederholung oder Neuvornahme. Auch darf der Bestätigungsbeschluss vom Erstbeschluss nicht inhaltlich abweichen. Sinnvoll ist der Bestätigungsbeschluss bei Kapitalerhöhungsbeschlüssen, um das Risiko einer doppelten Kapitalerhöhung zu vermeiden. Eine Bestätigung ist nur bei anfechtbaren Beschlüssen und auch dort nur bei Verfahrens-, nicht bei Inhaltsmängeln möglich. Bei nichtigen Beschlüssen kommt nur eine Neuvornahme in Betracht.
Um den Anfechtungsausschluss für den Erstbeschluss zu bewirken, muss der Bestätigungsbeschluss voll wirksam und rechtsbeständig, also unanfechtbar sein. Die Anfechtungsfrist muss abgelaufen oder eine Anfechtungsklage rechtskräftig abgewiesen worden sein. Waren für den zu bestätigenden Beschluss Berichtspflichten zu beachten, müssen mangelhafte oder fehlerhafte Berichte nachgebessert oder nachgeholt werden. Bereits von vornherein ordnungsgemäße Berichte müssen nicht aktualisiert werden. Soll die Bestätigungswirkung verhindert werden, muss der Aktionär sowohl gegen den Erstbeschluss als auch gegen den Bestätigungsbeschluss Anfechtungsklage erheben. Dies gilt auch dann, wenn etwa der Bestätigungsbeschluss denselben Mangel wie der Erstbeschluss aufweist.
Rz. 1556
Str. ist, auf welchen Zeitpunkt die Bestätigung wirkt. Die h.M. geht von einer ex nunc-Wirkung aus, weil nur Erst- und Bestätigungsbeschluss zusammen eine rechtsbeständige Regelung darstellen. Bei besonderem Interesse kann nach § 244 Satz 2 AktG der Kläger seinen Anfechtungsantrag gegen den Erstbeschluss aufrechterhalten (zulässige Klageänderung) mit dem Ziel, ihn bis zum Zeitpunkt des Bestätigungsbeschlusses für nichtig zu erklären.
Rz. 1557
Ob anstelle einer Neuvornahme ein solcher Bestätigungsbeschluss auch bei einer Nichtigkeit der Kapitalmaßnahme möglich ist, ist unklar. Im Ergebnis dürfte es sich dabei um einen dogmatischen Streit handeln. Die Wirkungen einer Neuvornahme können denen eines Bestätigungsbeschlusses ganz oder weitgehend entsprechen. Ein Unterschied besteht darin, wenn man dem Bestätigungsbeschluss nach § 244 AktG rückwirkende Wirkung, nicht aber lediglich eine ex nunc-Wirkung beimisst. Die h.M. geht jedoch von einer ex nunc-Wirkung des Bestätigungsbeschlusses aus.