Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1751
Die bedingte Kapitalerhöhung ist in den §§ 192 ff. AktG geregelt. Sie bietet der Gesellschaft die Möglichkeit, Dritten Umtausch- und Bezugsrechte einzuräumen, wobei das Ob und Wann der Ausübung dieser Rechte unbestimmt bleibt.
aa) Übersicht
Rz. 1752
bb) Muster: Beschluss der bedingten Kapitalerhöhung
Rz. 1753
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Muster 10.28: Beschluss der bedingten Kapitalerhöhung
1. |
Der Vorstand wird ermächtigt, bis zum 30.3.2028 ein oder mehrmals Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen mit einer Laufzeit von längstens drei Jahren auszugeben. |
2. |
Der Gesamtnennbetrag der auszugebenden Options- bzw. Wandelschuldverschreibungen darf insgesamt 100.000,00 EUR nicht übersteigen. Die Options- bzw. Wandelungsrechte dürfen sich auf Aktien der Gesellschaft im Gesamtnennbetrag von bis zu 25.000,00 EUR beziehen. |
3. |
Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrates die Bedingungen für die Ausgabe der Options- und Wandelschuldverschreibungen festzulegen. |
4. |
Das Grundkapital der Gesellschaft wird um bis zu 25.000,00 EUR bedingt erhöht durch die Ausgabe von bis zu 25.000 auf den Namen lautende Stückaktien. Die bedingte Kapitalerhöhung dient der Gewährung von Aktien an die Inhaber von Options-/Wandelschuldverschreibungen, deren Ausgabe gemäß vorstehender Ermächtigung beschlossen wurde. Die Ausgabe der neuen Aktien erfolgt zu dem in den Bedingungen der Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen genannten Ausgabebetrag. Die bedingte Kapitalerhöhung erfolgt in dem Umfange, wie von dem Umtauschrecht Gebrauch gemacht wird. Die neuen Aktien nehmen von Beginn des Geschäftsjahres an, in dem die neuen Aktien ausgegeben werden, am Gewinn teil. Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrates die weiteren Einzelheiten der Durchführung der bedingten Kapitalerhöhung festzusetzen. |
5. |
Nach § 4 der Satzung wird folgender neuer § 4a eingefügt: "Das Grundkapital ist bis zu 25.000,00 EUR durch Ausgabe von bis zu 25.000 neuen auf den Namen lautenden Stückaktien bedingt erhöht. Die bedingte Kapitalerhöhung dient der Gewährung von Umtauschrechten der Inhaber von Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen. Sie ist nur insoweit durchgeführt, als von diesem Umtauschrecht Gebrauch gemacht wird. Die neuen Aktien nehmen von Beginn des Geschäftsjahres, in dem sie durch Ausübung von Wandelungsrechten entstehen, am Gewinn teil. Der Aufsichtsrat wird ermächtigt, die Fassung der Satzung entsprechend dem Umfang der Ausgabe der neuen Aktien zu ändern." |
cc) Inhalt
Rz. 1754
Entgegen dem Wortlaut des § 192 Abs. 2 AktG ("Soll-Vorschrift") ist die bedingte Kapitalerhöhung nur zu den dort genannten Zwecken zulässig, nämlich zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an die Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen i.S.d. § 221 AktG, zur Vorbereitung von Unternehmenszusammenschlüssen sowie zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung. Lediglich bei Gestaltungen, die einem der im Gesetz genannten Fälle "hinreichend ähnlich" ist, ist eine Analogie anerkannt.
Beispiele
Zur Bedienung von Optionsanleihen (ausländischer) Tochtergesellschaften, zur Bedienung von Optionsrechten im Zusammenhang mit Aktienemissionen (Huckepack-Emission) oder zur Bedienung reiner Optionsrechte, die ohne jede Anleihe oder Aktie ausgegeben werden, sog. "naked warrants" (str.).
Rz. 1755
Nach Auffassung das OLG Stuttgart ist die Bedienung von "naked warrants" mit einem bedingten Kapital außerhalb des persönlichen Anwendungsbereichs des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG unzulässig. Auch § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG scheidet aus. Zulässig ist allein ein genehmigtes Kapital. Unzulässig ist die bedingte Kapitalerhöhung bspw. auch zur Ausgabe von Optionen an Aufsichtsratsmitglieder.
Rz. 1756
Aus § 192 AktG folgt, dass ein gesetzliches Bezugsrecht der Aktionäre auf Aktien aus einer bedingten Kapitalerhöhung nicht besteht. Es besteht aber ein Bezugsrecht nach § 221 Abs. 4 AktG auf die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten. Auch hier kann allerdings das Bezugsrecht ausgeschlossen werden (§ 221 Abs. 4 Satz 2 AktG). Str. ist die Zulässigkeit des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG. Auch kann der Vorstand analog § 203 Abs. 2 AktG zum Ausschluss des Bezugsrechts nach § 221 Abs. 4 AktG ermächtigt werden. Für die materielle Rechtfertigung gelten die Ausführungen zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital entsprechend.
Hinweis
In der Praxis kommt die bedingte Kapitalerhöhung im Zusammenhang mit der Ausgabe von Wandel- und Optionsanleihen sowie bei der Ausgabe von Aktien im Rahmen von Aktienoptionen bzw. Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen in Betracht. I.Ü. lassen sich die anderen zulässigen Zwecke einer bedingten Kapitalerhöhung ebenso mit einem genehmigten Kapital erreichen. Dies ist regelmäßig flexibler einzusetzen als das bedingte Kapital, sodass im Einzelfall vor einer bedingten Kapitalerhöhung stets die Schaffung eines genehmigten Kapitals z...