Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 488
Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Rechtsfigur der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung expressis verbis in § 135 Abs. 3 InsO und so die Gebrauchsüberlassung von im Eigentum der Gesellschafter stehenden Gegenständen zu regeln. Es wird vertreten, dass der Gesetzgeber mit dieser Änderung deutlich macht, dass die Nutzungsüberlassung keine mit einem Gesellschafterdarlehen vergleichbare Finanzierungsform darstellt. Die Rechtsfolgen der Gesellschafterdarlehen – Nachrangigkeit und Insolvenzanfechtung – sollen nach dieser Ansicht keine Anwendung finden. Nach a.A. stellt die "eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung" i.S.d. § 135 InsO eine "gleichgestellte Forderung" dar. Dann wäre auch die im letzten Jahr vor Insolvenzeröffnung geleistete Rückzahlung anfechtbar.
Der BGH hat sich mit Urt. v. 29.1.2015 der bereits vom OLG Schleswig sowie der h.M. vertretenen Auff. angeschlossen und zugleich eine Grundsatzentscheidung zur Nutzungsüberlassung durch Gesellschafter nach neuem Recht gefällt und viele Streitfragen der Praxis geklärt.
Gem. dem BGH ist die entgeltliche Gewährung einer Nutzungsmöglichkeit im Vorfeld der Insolvenzeröffnung keine Rechtshandlung, die einem Darlehen wirtschaftlich entspricht und mithin weder gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig noch gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf unentgeltliche Nutzung seitens des Gesellschafters überlassener Betriebsmittel sei nicht mehr anzuerkennen. Aus der Aufhebung der Grundvorschriften des Eigenkapitalersatzrechts folge, dass Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Leistungen einschließlich einer Nutzungsüberlassung nicht wie haftendes Eigenkapital zu behandeln sind. Soweit also eine Nutzungsüberlassung keine Kreditgewährung darstellt, können von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO derartige Nutzungen nicht erfasst werden. Eine Darlehensgleichheit könne nur dann angenommen werden, wenn die Ansprüche auf Mietzinszahlung der Gesellschaft gestundet werden. Gerade in der Krise sollten die nutzungsüberlassenden Gesellschafter daher darauf achten, dass der Mietzins pünktlich, jedenfalls aber innerhalb der 30 Tage-Frist des § 286 Abs. 3 BGB von der Gesellschaft gezahlt wird. Andernfalls wandelt sich der Anspruch auf den Mietzins in ein Gesellschafterdarlehen.
Wenn weder der Gesellschafter noch der Insolvenzverwalter das Nutzungsverhältnis nach Insolvenzeröffnung kündigen, so ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das für die Nutzungsüberlassung vereinbarte Entgelt als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren. Damit wird der im Insolvenzverfahren grds. nachrangige Gesellschafter zum Massegläubiger. Hingegen sind noch offene Entgeltforderungen aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einfache Insolvenzforderungen, § 108 Abs. 2 InsO. Mit der vorrangigen Befriedigung der Entgeltforderung werden nicht nur die außenstehenden Insolvenzgläubiger benachteiligt, sondern zusätzlich noch die Insolvenzmasse geschmälert. Jedoch kann damit die Fortführung des Unternehmens gesichert und damit die Sanierungschancen erhöht werden.