Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1330
Noch nicht entschieden ist, ob es für eine Berichtigung der Hauptversammlungsniederschrift eine zeitliche Grenze gibt. Solange die Urkunde – egal ob unterschrieben oder nicht – noch nicht in den Rechtsverkehr gelangt ist, sind Ergänzungen und Berichtigungen ohne Weiteres zulässig (s.o. Rdn 1310 ff. m.w.N.). Sind jedoch schon Abschriften und Ausfertigungen erteilt, ist zu differenzieren:
aa) Offensichtliche Unrichtigkeiten
Rz. 1331
Für offensichtliche Unrichtigkeiten i.S.d. § 44a Abs. 2 BeurkG besteht keine zeitliche Grenze. Diese können auch noch dann berichtigt werden, wenn bereits Ausfertigungen und Abschriften im Umlauf sind.
bb) Berichtigung vor Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften
Rz. 1332
Sind noch keine Ausfertigungen, Abschriften in den Rechtsverkehr gelangt, sind Berichtigungen, Ergänzungen, Streichungen ebenso uneingeschränkt zulässig. Eine Beschränkung der Korrektur auf offensichtliche Unrichtigkeiten besteht nicht.
cc) Berichtigung nach Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften
Rz. 1333
Aber auch dann, wenn bereits Ausfertigungen und beglaubigten Abschriften erteilt wurden, ist eine solche nachträgliche Berichtigung zulässig. Eine solche Korrekturmöglichkeit gebietet der Zweck der Hauptversammlungsniederschrift, die Hauptversammlung beweissicher zu dokumentieren. Dieser Beweiszweck verlangt ein "richtiges" Protokoll. Würde man dem Notar hier eine Berichtigung verbieten, wäre damit ein falscher Rechtsschein gesetzt, den der Notar sehenden Auges nicht beseitigen könnte. Dies ist mit den Berufspflichten des Notars nicht vereinbar. Es ist anerkannt, dass der Notar jeden falschen Anschein zu vermeiden hat, der sich aus einer unrichtigen Urkunde ergeben könnte. Der Notar ist im Umkehrschluss gerade dazu verpflichtet, die unrichtige Urkunde zu berichtigen.
Rz. 1334
Eine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit ist damit nicht verbunden. Auf ein fehlerhaftes Protokoll kann niemand vertrauen. Vielmehr gebietet es die Rechtssicherheit, das fehlerhafte Protokoll zu berichtigen. Der BGH erwägt zwar, dass eine Protokollberichtigung möglicherweise nicht mehr zulässig sei, wenn ein Aktionär im Zeitpunkt der Berichtigung nach § 44a Abs. 2 BeurkG bereits Dispositionen im Hinblick auf die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse gefasst habe.
Rz. 1335
Nach hier vertretener Ansicht ist eine solche Einschränkung jedoch nicht geboten. Geht es um die Beweiskraft der Hauptversammlungsniederschrift, ist eine Berichtigung erst recht erforderlich, weil es darauf ankommt, was tatsächlich geschehen ist. Geht es um sonstige Protokollmängel, liegt es im Interesse der Rechtssicherheit aller Beteiligten, wenn dieser Fehler korrigiert wird und sich der Rechtsstreit damit in der Hauptsache erledigt.
Rz. 1336
Rechtsstaatlich ist dies nicht zu beanstanden. Vergleichbar ist die Situation mit der Berichtigung des Protokolls im Gerichtsprozess. Im Zivilprozess ist die Protokollberichtigung jederzeit zulässig (§ 164 ZPO). Dies gilt nach der Lit. auch, wenn damit im Rechtsmittelverfahren dem eingelegten Rechtsmittel die Tatsachengrundlage nachträglich entzogen wird ("rügeverkümmernde Protokollberichtigung"). Im Strafprozess gab es zunächst ein Verbot der rügeverkümmernden Protokollberichtigung. Diese Rspr. hat der Große Senat des BGH für Strafsachen aufgegeben. Nunmehr steht die Beachtlichkeit der rügeverkümmernden Protokollberichtigung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Die Protokollberichtigung ist nur dann unbeachtlich, wenn in der Revisionsinstanz Zweifel an der Richtigkeit des berichtigten Protokolls bestehen bleiben. Es gilt dann das Protokoll in der nicht berichtigten Fassung. Der Große Senat begründet seine Auffassung damit, Aufgabe sei es in der Rechtsmittelinstanz, über den wahren Sachverhalt zu entscheiden. Das BVerfG hat diese Ansicht gebilligt. Dabei muss aber die Rügeverkümmerung im Instanzenzug abgesichert werden. Effektiver Rechtsschutz und faires Verfahren erfordern eine Überprüfung der Berichtigung durch das Rechtsmittelgericht, andernfalls läuft das Rechtsmittel leer.
Rz. 1337
Im Zivilprozess verlangt die Protokollberichtigung zusätzlich nach § 164 Abs. 2 ZPO eine Anhörung der Beteiligten. Eine vergleichbare Vorschrift fehlt für die Berichtigung des Hauptversammlungsprotokolls. Ungeachtet dessen ist auch für die Berichtigung der Hauptversammlungsniederschrift durch den Notar in einem laufenden Rechtsstreit zu fordern, dass das Gericht die Zulässigkeit der Protokollberichtigung genau prüft. Bestehen Zweifel, gilt für den Rechtsstreit weiterhin das nicht berichtigte Hauptversammlungsprotokoll.