Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 940
Gem. § 95 Abs. 1 Satz 1 AktG besteht der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann eine höhere Zahl festsetzen. Der Grundsatz der Teilbarkeit durch drei wurde aufgehoben und gilt nur noch für solche Gesellschaften, die der Mitbestimmung nach dem DrittelBG unterliegen. Weitere Besonderheiten bestehen im Fall der Arbeitnehmermitbestimmung. Empfehlungen über die Besetzung des Aufsichtsrates enthält i.Ü. Ziff. 5.4. DCKG. Eine Abweichung des Wahlvorschlags von diesen Empfehlungen hat jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Aufsichtsratswahl und macht den Wahlvorschlag des Aufsichtsrats oder seine Bekanntmachung weder unwirksam noch liegt ein für die Wahlentscheidung der Hauptversammlung relevanter Verstoß gegen Informationspflichten vor.
Rz. 941
Die Änderung der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder bedarf einer Satzungsänderung. Im Fall einer Vergrößerung sind die fehlenden Aufsichtsratsmitglieder durch die Hauptversammlung nachzuwählen, regelmäßig zusammen mit dem Beschluss über die Satzungsänderung. Bei der Verkleinerung des Aufsichtsrates endet das Amt der Aufsichtsratsmitglieder erst mit Beendigung der laufenden Amtsperiode, nicht aber schon mit Wirksamwerden der Satzungsänderung. Dies gilt namentlich für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Gleiches gilt grds. für die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat, da eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer- und der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat nicht geboten ist. Allerdings gelten für die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat nicht die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften.
Hinweis
In mitbestimmungsfreien Gesellschaften ist es deshalb nicht geboten, im Hinblick auf den Vertrauensschutz die Anteilseignervertreter zwingend im Amt zu belassen, bis ihre normale Amtsperiode endet. Vielmehr ist es dort gerechtfertigt, die "überzähligen" Anteilsvertreter nach § 103 AktG auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes abzuberufen.
Rz. 942
Nach § 96 Abs. 2 AktG setzt sich der Aufsichtsrat bei börsennotierten Gesellschaften, für die das MitbestG (AG, KGaA mit i.d.R. mehr als 2.000 Arbeitnehmern), das MontanMitbestG (AG, GmbH in der Montanindustrie mit i.d.R. mehr als 1.000 Arbeitnehmern) oder das MitBestEG (AG oder GmbH, die ein Unternehmen beherrschen, für die das MontanMitbestG anzuwenden ist) gilt, zu mind. 30 % aus Frauen und zu mind. 30 % aus Männern zusammen. Ob die Börsennotierung im Inland oder im Ausland erfolgt, ist ohne Bedeutung. Ein bloßer Handel der Aktien im Freiverkehr gem. § 48 BörsG genügt nicht.
Rz. 943
Beide Voraussetzungen (Börsennotierung, Mitbestimmung) müssen kumulativ vorliegen. Eine Mitbestimmung nach dem DrittelBG (Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern) genügt nicht.
Rz. 944
Da es sich bei § 96 Abs. 2 AktG nicht um eine kapitalmarktrechtliche Regelung handelt, sind nach h.M. nur Inlandsgesellschaften davon betroffen.
Rz. 945
§ 96 Abs. 2 Satz 2 AktG geht für den Regelfall davon aus, dass die zwingende Quote im Aufsichtsrat von 30 % für den Aufsichtsrat insgesamt, d.h. für alle Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner und Arbeitnehmervertreter gemeinsam gilt. Es kommt also nicht darauf an, ob die Frauenquote ganz oder überwiegend von der einen oder anderen Seite erfüllt wird. Ohne Bedeutung ist, ob es sich um von der Hauptversammlung gewählte Aufsichtsratsmitglieder oder um entsandte Aufsichtsratsmitglieder (§ 101 Abs. 2 AktG) handelt.
Rz. 946
Die "Gesamterfüllung" gilt nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG nicht, wenn die Seite der Anteilseigner oder die Seite der Arbeitnehmervertreter aufgrund eines mit Mehrheit gefassten Beschlusses vor der Wahl der Gesamterfüllung ggü. dem Aufsichtsratsvorsitzenden widerspricht. In diesem Fall der sog. "Getrennterfüllung" muss jede Seite für sich die Quote erfüllen. Der Widerspruch, soll er erklärt werden, muss vor jeder Wahl erneut erfolgen.
Rz. 947
Im Fall der Gesamterfüllung beeinflusst die Aufsichtsratswahl der einen Seite immer auch die Wahl der anderen Seite. Da die Mindestquote gemeinsam zu erfüllen ist, setzt die zuerst stattfindende Aufsichtsratswahl die Grundlage für die zweite Wahl. Gleiches gilt, wenn auf Anteilseignerseite ein Entsenderecht nach § 101 Abs. 2 AktG besteht.
Rz. 948
Eine Verfahrensordnung für die Beschlussfassung über den Widerspruch ggü. der Gesamterfüllung enthält das Gesetz nicht. Ein Beschluss der Anteilseignerseite bzw. der Arbeitnehmervertreterseite mit einfacher Mehrheit genügt. Adressat des Widerspruchs ist der Aufsichtsratsvorsitzende. Unklar ist, "wer" ggü. dem Aufsichtsratsvorsitzenden den Widerspruch erklärt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Regelungen für Aufsichtsratsausschüsse entsprechend gelten. Sinnvoll ist es, diese Frage in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates zu regeln. Solange eine solche nicht vorliegt, empfiehlt es sich, mit ausreichendem Vorlauf zu einer solchen Zusammenkunft zu laden, vorsorglich auf Formen und Fristen zu verzi...