Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
aa) Allgemeines
Rz. 1405
Fehler bei einer Online-Teilnahme führen zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse.
Bei Online-Teilnahme kommt namentlich eine Anfechtung wegen Verletzung ihrer Teilnahmerechte in Betracht. Ist für die Online-Teilnehmer das Recht, Widerspruch einzulegen (§ 145 Nr. 1 AktG) qua Satzung bzw. Vorstandsermächtigung ausgeschlossen, kann eine Anfechtungsklage auf § 245 Nr. 2 AktG gestützt werden.
Rz. 1406
Bei börsennotierten Gesellschaften sind die Voraussetzungen und das Verfahren einer Online-Teilnahme nach § 121 Abs. 3 Ziff. 2 Buchst. b) AktG in der Einberufung der Hauptversammlung anzugeben. Anfechtungsklagen werden oft mit Fehlern bei der Einberufung begründet: Bei kritischen Hauptversammlungen sollte daher die Zulassung einer Online-Teilnahme wohl bedacht sein.
bb) Relevanz des Rechtsverstoßes
Rz. 1407
Voraussetzung einer Anfechtung ist, dass der Rechtsverstoß für das Beschlussergebnis bei wertender Betrachtung relevant sein muss. Relevanz soll nach einer Ansicht jedoch nicht gegeben sein, wenn die Aktionäre frühzeitig über die Bedingungen der Online-Teilnahme und ihre eingeschränkten Rechte als Online-Teilnehmer informiert werden, etwa bei der Einberufung (§ 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 AktG). Wenn die Aktionäre trotz dieser rechtzeitigen Information es dabei bewenden lassen, ihre Rechte online auszuüben, nicht aber tatsächlich an der Präsenzhauptversammlung persönlich oder mittels Vertreter teilzunehmen, sei der Rechtsverstoß nicht erheblich.
Rz. 1408
Nach hier vertretener Ansicht ist diese Auffassung abzulehnen. Wenn es die Satzung oder der Vorstand qua Ermächtigung den Aktionären gestattet, ihre Aktionärsrechte ganz oder teilweise auch außerhalb der Hauptversammlung online auszuüben, darf diese Rechtsausübung nicht contra legem eingeschränkt werden. Einem Verstoß gegen Gesetz oder Satzung bei der Online-Teilnahme ist daher nicht von vornherein die Relevanz für eine Anfechtung zu versagen.
Rz. 1409
Dies gilt erst recht, wenn mit der Verletzung von Gesetz oder Satzung gleichzeitig eine Beeinträchtigung der Rechte der Aktionäre einhergeht, die persönlich in der Hauptversammlung anwesend oder vertreten sind. Dies ist z.B. der Fall, wenn Fragen und/oder Redebeiträge der Online-Teilnehmer bzw. die Antworten auf die online gestellten Fragen nicht in der Präsenzversammlung verlesen oder sonst wie zur Verfügung gestellt werden. Es liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 53a AktG aufgrund der informationellen Schlechterstellung der Präsenzteilnehmer vor. Die Beschlüsse sind anfechtbar.
cc) Keine Anfechtung bei technischen Störungen
Rz. 1410
Nach § 243 Abs. 3 Nr. 1 AktG ist das Anfechtungsrecht beschränkt. Die Anfechtung kann nicht gestützt werden auf durch eine technische Störung verursachte Verletzung von Rechten, die nach § 118 Abs. 1 Satz 2 und § 134 Abs. 3 AktG auf elektronischem Wege wahrgenommen worden sind, es sei denn, der Gesellschaft ist grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen. Die Satzung kann einen strengeren Verschuldensmaßstab bestimmen.
Rz. 1411
Dieser Ausschluss des Anfechtungsrechts geht weit. Es soll verhindert werden, dass aus lauter Angst vor Anfechtungsklagen und Komplikationen von den neuen Möglichkeiten einer Online-Teilnahme kein Gebrauch gemacht wird. Selbst Klagen der Präsenzteilnehmer können deshalb nicht einwenden, eine Sperrminorität sei etwa verfehlt worden, weil Online-Stimmen bspw. in einem "schwarzen Loch" verschwunden seien.
Rz. 1412
Die in § 243 Abs. 3 Nr. 1 AktG angeordnete Freistellung vom Anfechtungsrisiko wegen technischer Mängel reicht nur bis zur grobfahrlässigen Handlungsweise der Gesellschaft. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn das jedermann einleuchtende Mindestmaß technischer und organisatorischer Sorgfalt vorwerfbar vernachlässigt wird. Die Darlegung- und Beweislast trägt der Anfechtende.