Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
aa) Auskunftsverweigerung
Rz. 1053
Unter den in § 131 Abs. 3 AktG abschließend genannten Gründen ist der Vorstand berechtigt, die Auskunft zu verweigern. Auch hierbei handelt es sich um eine Geschäftsführungsmaßnahme nach § 77 AktG. Ob die Auskunftsverweigerung begründet werden muss, ist umstritten. Entscheidend ist, ob ein Grund zur Auskunftsverweigerung objektiv besteht oder nicht. Die Gesellschaft muss die ein Auskunftsverweigerungsrecht begründenden Tatsachen nicht darlegen und beweisen. Es genügt, diese Umstände plausibel zu machen.
Im Vordergrund steht eine Auskunftsverweigerung wegen eines drohenden Nachteils für die Gesellschaft, etwa wegen einer Geheimhaltungsvereinbarung (§ 131 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 AktG) bzw. wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB). Es genügt "Plausibilität" des drohenden Nachteils. Ob der Gesellschaft im Fall der Auskunftserteilung ein Nachteil droht, ist – abgestellt auf den Zeitpunkt der Hauptversammlung – nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zu prüfen. Ein Schaden muss nicht unmittelbar drohen; es genügt grds. jede Beeinträchtigung von einigermaßen gewichtigen Gesellschaftsinteressen.
Rz. 1054
Nicht genügend ist die Berufung auf eine vereinbarte Vertraulichkeitsabrede. Der Vorstand darf die Auskunft verweigern, wenn sich das Auskunftsverlangen auf vertrauliche Vorgänge in den Sitzungen des Aufsichtsrates oder der von ihm nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG bestellten Ausschüsse richtet. Diskussionen im Aufsichtsrat und das Abstimmungsverhalten der Mitglieder des Aufsichtsrats sind vertraulich, unabhängig davon, ob dies auch für den Gegenstand der Beratung selbst gilt. Offen gelassen hat es der BGH, ob sich das Auskunftsverweigerungsrecht darüber hinaus auch auf den Gegenstand einer Aufsichtsratssitzung oder den Inhalt eines in ihr gefassten Beschlusses erstreckt oder ob die Frage der Auskunftspflicht von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt.
Rz. 1055
Nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 7 AktG besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht für vorab auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlichte Informationen. Der Vorstand kann auf diesem Wege bereits vor der Hauptversammlung schriftlich per Brief oder per E-Mail eingereichte Fragen beantworten, sodass nur noch Zusatzfragen in der Hauptversammlung gestellt und beantwortet werden müssen. Der interessierte Aktionär muss die Informationen entweder direkt auf der Internetseite der Gesellschaft oder durch eindeutige Links finden können. Die Informationen müssen mindestens 7 Tage unmittelbar vor der Hauptversammlung zugänglich gemacht sein und während der Hauptversammlung auch "durchgängig" zugänglich bleiben. Ein Hinweis auf die Internetseite der Gesellschaft in der Einberufung der Hauptversammlung ist hilfreich, gesetzlich aber nicht vorgesehen.
Rz. 1056
Ein ungeschriebener Auskunftsverweigerungsgrund besteht für den Fall, dass das Auskunftsrecht missbräuchlich ausgeübt wird (s.o. zum Rechtsmissbrauch Rdn 1044). Dies ist der Fall, wenn übermäßige Fragenkataloge von mehreren DIN A4-Seiten vorgelegt werden. Abgestellt wird darauf, ob der vernünftige Durchschnittsaktionär eine Beantwortung aller Fragen zur eigenen Urteilsfindung benötigt oder ob er mit weniger Informationen auskommt.
Beispiele
100 oder mehr Fragen dürften danach stets unzulässig sein; 50 Fragen sind nur dann zu beantworten, wenn dafür ein berechtigtes Interesse dargelegt wird; teilweise wird die Grenze schon bei 20 Fragen gesehen.
Hinweis
Höchstrichterliche Rspr. liegt hierzu noch nicht vor. Im Zweifel sollte zur Vermeidung etwaiger Auskunfts- und/oder Anfechtungsklagen mit dem Problem eher großzügiger verfahren werden.
Rz. 1057
Nach § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG kann die Satzung oder die Geschäftsordnung den Versammlungsleiter ermächtigen, das Frage- und Rederecht der Aktionäre zeitlich angemessen zu beschränken und Näheres dazu bestimmen. Auch ohne eine solche Regel darf der Versammlungsleiter die Redezeit angemessen beschränken. § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG erweitert die Befugnisse des Versammlungsleiters. Andernfalls kann das Fragerecht nicht mit dem Rederecht gleichgesetzt werden. Einschränkungen des Fragerechts müssen dann strengeren Standards genügen. Über § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG kann auch eine einheitliche Beschränkung des Rede- und Fragerechts für die gesamte Hauptversammlung, für den einzelnen Tagesordnungspunkt und für den einzelnen Redner angeordnet werden. Str. ist, ob eine solche Beschränkung generell zu Beginn zulässig ist, oder erst sukzessive während der laufenden Hauptversammlung. Nach Ansicht des BGH deckt § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG grds. auch die Einführung abstrakter Beschränkungen des Rede- und Fragerechts in der Satzung oder Geschäftsordnung. Unzulässig ist es aber, solche generellen Beschränkungen auch dann anzuordnen, wenn mangels einer Vielzahl von Fragen dazu gar keine Veranlassung besteht.