Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 2328
Die Europäische Kommission legte am 29.3.2023 ihren Entwurf für eine Richtlinie zur Erweiterung und Weiterentwicklung der Nutzung digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht vor (DRL II). Die DRL II soll einen stärker integrierten und digitalisierten Binnenmarkt schaffen und ist der nächste Schritt in der Weiterentwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts. Sie ist Teil der Kommissionsstrategie zum Digitalen Kompass 2030 für den europäischen Weg in die digitale Dekade. Bereits am 13.3.2024 erzielten der Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige politische Einigung über die DRL II. Mit einer Veröffentlichung des finalen Richtlinientextes im Amtsblatt der EU ist spätestens bis Anfang 2025 zu rechnen.
Rz. 2329
Die DRL II verfolgt zwei Hauptziele:
(i) |
eine verbesserte Transparenz im Europäischen Gesellschaftsrecht; und |
(ii) |
die erleichterte Verwendung von Unternehmensinformationen im gesamten Binnenmarkt. |
Auf diese Weise sollen grenzüberschreitende Transaktionen und Verfahren vereinfacht, beschleunigt und kostengünstiger werden.
Daneben (iii) sollen eine verstärkte öffentliche Präventivkontrolle und die gesteigerte gesellschaftsrechtliche Beteiligungstransparenz den Missbrauch des Europäischen Gesellschaftsrechts für illegale Aktivitäten verhindern, etwa für die Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie die Umgehung von Sanktionsmaßnahmen der Union.
Rz. 2330
Um diese Ziele zu erreichen, enthält die DRL II ein Paket verschiedener Maßnahmen. Diese bedingen und verstärken sich gegenseitig. Zum einen sollen mehr Daten über mehr Gesellschaftsformen in den mitgliedstaatlichen Registern und über das europäische System zur Vernetzung der nationalen Unternehmensregister (Business Registers Interconnection System – BRIS) verfügbar gemacht werden. Die Registerdaten sollen zum anderen durch Einführung einer unionsweit verpflichtenden öffentlichen Präventivkontrolle verlässlich sein, sodass sich der Rechts- und Wirtschaftsverkehr auf diese verlassen kann. Die Verlässlichkeit der mitgliedstaatlichen Register wiederum ist Voraussetzung für die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung und direkte Nutzbarkeit von Unternehmensinformationen über die neue EU-Gesellschaftsbescheinigung (EU Company Certificate – EUCC).
Daneben enthält die DRL II weitere Maßnahmen zur Vereinfachung und Erleichterung des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs im Gesellschaftsrecht:
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die Einführung einer digitalen EU-Vollmacht, die teilweise Abschaffung des Apostillenerfordernisses und |
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die Offenlegung von Gruppenstrukturen und Arbeitnehmerzahlen. |
Zum ersten Mal nimmt das Europäische Gesellschaftsrecht zudem Personenhandelsgesellschaften in seinen Anwendungsbereich auf.
Rz. 2331
Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die wichtigsten Regelungsinhalte der DRL II und bewertet die relevanten zukünftigen Änderungen des Europäischen Gesellschaftsrechts aus Sicht der Praxis.