Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1074
Nach § 122 Abs. 1 AktG kann eine Aktionärsminderheit auch die Einberufung einer Hauptversammlung verlangen, etwa bei einem Vertrauensentzug ggü. dem Vorstand nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG oder im Fall der Abberufung und Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§§ 103, 101 AktG).
Rz. 1075
Wegen der Einzelheiten kann auf die vorstehenden Ausführungen zur Stellung von Ergänzungsanträgen verwiesen werden (Rdn 1064 ff.). Das Minderheitenquorum stellt allerdings ausschließlich auf eine Mindestbeteiligung von 5 % ab; anders als beim bloßen Ergänzungsverlangen genügt eine anteilige Beteiligung mit einem bestimmten Geldbetrag nicht.
Rz. 1076
I.Ü. muss das Einberufungsverlangen die Tagesordnung und die Beschlüsse beinhalten, die auf Antrag der Minderheit gefasst werden sollen. Nach a.A. sind solche Beschlussvorschläge entbehrlich. Es genügt, wenn Zweck und Gründe der Einberufung angegeben werden. Für Satzungsänderungen und Unternehmensverträge sind aber die Vorgaben des § 124 Abs. 2 Satz 3 AktG zu beachten. Der Vorstand und/oder Aufsichtsrat sind analog § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG nicht verpflichtet, eigene Beschlussvorschläge zu den von der Minderheit unterbreiteten Tagesordnungspunkten vorzulegen. Eine Ergänzung der von der Minderheit vorgeschlagenen Tagesordnung durch den Vorstand ist zulässig. Hierfür gelten die allgemeinen Vorschriften, insb. bestehen dann auch die üblichen Beschlussvorschlagspflichten.
Rz. 1077
Offen ist, ob der Vorstand verpflichtet ist, bei einer auf Veranlassung der Minderheit einberufenen Hauptversammlung von sich aus vorbereitende Maßnahmen zu treffen (insb. entsprechende Berichte, Mitteilungspflichten nach § 125 AktG, Zugänglichmachung von Gegenanträgen nach §§ 126, 127 AktG; Prüfung der Legitimation der Teilnehmer, Beauftragung des Notars, Anmietung des Versammlungsraums etc.). Dies wird z.T. verneint, sodass die Minderheit erst einen Beschluss nach § 83 AktG in einer Hauptversammlung herbeiführen müsste um sodann in einer weiteren Hauptversammlung über den eigentlichen Sachbeschluss abzustimmen. Nach a.A. besteht eine Pflicht des Vorstands zur Mitwirkung, wenn davon auszugehen ist, dass der Beschlussvorschlag der Minderheit voraussichtlich Erfolg haben wird, bzw. wenn die Minderheit zur Einberufung der Hauptversammlung gerichtlich ermächtigt wurde.
Rz. 1078
Das Einberufungsverlangen der Minderheit ist rechtsmissbräuchlich, wenn ihnen ein Zuwarten bis zur nächsten Hauptversammlung zugemutet werden kann. Liegen die Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 AktG vor, muss der Vorstand einberufen. Er ist nicht verpflichtet, ein etwa gesetz- oder satzungswidriges Einberufungsverlangen abzulehnen. Andererseits braucht er aber einem solchen Verlangen auch nicht zu entsprechen.
Rz. 1079
Die Kosten für eine solche nach einem Minderheitsverlangen durchgeführte Hauptversammlung trägt nach § 122 Abs. 4 AktG die Gesellschaft.
Rz. 1080
Die aufgrund Minderheitsverlangens einberufene Hauptversammlung kann abgesagt oder vertagt werden, wenn alle Antragsteller ihr Verlangen zurückgenommen haben. Nach Ansicht des BGH kann auch der Vorstand eine solche aufgrund Minderheitsverlangens einberufene Hauptversammlung absagen. Das Recht zur Absage oder Rücknahme der Einberufung des Vorstands erlösche spätestens mit der förmlichen Eröffnung der Hauptversammlung bzw. dann, wenn sich in dem als Versammlungsraum angegebenen Ort Aktionäre eingefunden haben und der als Beginn der Hauptversammlung angegebene Zeitpunkt verstrichen ist. Danach ist nur noch eine Vertagung möglich, über die die Hauptversammlung selbst mit einfacher Mehrheit beschließt.