Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 2222
Nicht selten wird der Weg in die SE gewählt, um entweder angesichts steigender Arbeitnehmerzahlen einer Mitbestimmung ganz zu entgehen (Grenze: 500 Arbeitnehmer) oder aber um die Mitbestimmung in der Drittel-Mitbestimmung vor dem Eingreifen der paritätischen Mitbestimmung zu zementieren (Zementierungseffekt). Das vereinbarte oder gesetzlich über §§ 34 ff. SEBG festgeschriebene Mitbestimmungsniveau kann durch die Gründung einer SE dauerhaft konserviert werden. Den Missbrauchstatbestand des § 43 SEBG erfüllt das nicht. Die Überschreitung nationaler Schwellenwerte (500 bzw. 2.000 Mitarbeiter) führt auch nicht zur Neuverhandlungspflicht des § 18 Abs. 3 SEBG. Das soll selbst für die Fälle gelten, in denen die SE durch den Erwerb von (Mehrheits-)Beteiligungen Tochtergesellschaften im Wege des Share Deal erwirbt oder durch Asset Deal weitere Betriebe zukauft, sofern sich die Gesellschaftsstruktur dadurch nicht zugleich nicht in gründungsähnlicher Weise verändert. Von der Bestimmung des § 18 Abs. 3 SEBG sind aber jedenfalls Verschmelzungsvorgänge der SE mit einer anderen Gesellschaft genauso erfasst ist, wie die Verschmelzung mit einer Gesellschaft, die mitbestimmt ist oder bei der ein höheres Mitbestimmungsniveau als in der SE herrscht.
Die Vereinbarung wird aber auch dazu genutzt, die Mitbestimmungsregelungen, die in den Gesetzen, die eine Mitbestimmung vorsehen, festgelegt sind, zu modifizieren, z.B. hinsichtlich der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder. Die Regelungen werden insgesamt als verbesserungsbedürftig angesehen und es wird eine Harmonisierung der Regelungen zur SE-Gründung und derjenigen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung gefordert.
Umstritten ist, ob es für die Mitbestimmung auf den tatsächlichen Ist- oder den rechtlichen Soll-Zustand ankommt. Ausgangspunkt ist die Regelung in § 35 Abs. 1 SEBG. Der BGH lies diese Frage in seinem Beschl. v. 23.7.2019 offen. Das LG Frankfurt a.M. vertritt die Auffassung, wonach der Ist-Zustand maßgeblich sei. Dies gelte selbst dann für die SE, wenn die bei der umzuwandelnden Gesellschaft praktizierten Vorschriften zu Unrecht angewendet wurde. Die Gegenauffassung in der Rspr. stellt auf den rechtlichen Soll-Zustand ab. Das OLG München geht so weit, dass trotz einer Einigung zur Arbeitnehmerbeteiligung an den Soll-Zustand anzuknüpfen sei, wenn vor Eintragung einer Umwandlung durch Formwechsel in das Handelsregister ein Statusverfahren hätte eingeleitet werden können. Die Frage wird relevant, soweit die Rechtslage unklar oder nicht richtig gewürdigt ist.