Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1310
Nach § 130 Abs. 4 Satz 1 AktG ist die Hauptversammlungsniederschrift vom Notar zu unterzeichnen. Erst mit der Unterschrift des Notars ist die Beurkundung der Hauptversammlungsniederschrift abgeschlossen. Damit werden die Beschlüsse wirksam i.S.d. § 241 Nr. 2 AktG. Die Wirksamkeit der Niederschrift wirkt gem. § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Hauptversammlung zurück (ex tunc).
Rz. 1311
Nach dem Gesetz wird die Niederschrift in der Hauptversammlung aufgestellt, wenn auch nicht notwendig fertiggestellt. In der Praxis wird das Protokoll regelmäßig anhand der Einberufungsunterlagen und des Leitfadens des Versammlungsleiters schon weitgehend vor der Hauptversammlung vorbereitet, sodass nur noch ungeplante protokollierungspflichtige Vorgänge und Abstimmungsergebnisse sowie die Feststellungen des Versammlungsleiters in der Hauptversammlung handschriftlich oder stenografisch ergänzt werden. Der Notar kann sich dabei nur für ihn leserlicher Kürzel bedienen oder Hilfspersonen als Protokollanten, insb. bei der Aufnahme von Widersprüchen und angeblich nicht beantworteten Fragen hinzuziehen. Auch Tonbandaufnahmen als Gedächtnisstütze sind zulässig (s.o Rdn 1253). Erst danach wird das eigentliche Protokoll in Reinschrift erstellt, wobei Änderungen und Ergänzungen ggü. den aufgenommenen Notizen oder auch ggü. einem etwa in der Hauptversammlung fertiggestellten (unterschriebenen) Protokoll aufgrund eigener Erinnerung des Notars noch eingefügt werden.
Rz. 1312
Nach einer Ansicht ist die Hauptversammlungsniederschrift unmittelbar mit Leistung der Unterschrift des Notars abgeschlossen. Nach h.M. ist die Niederschrift dagegen erst abgeschlossen, wenn das vom Notar unterschriebene Protokoll durch Herausgabe von Ausfertigungen/Abschriften mit seinem Wissen und Wollen in den Rechtsverkehr gelangt. Der BGH folgt dieser Ansicht: Bei der Hauptversammlungsniederschrift handelt es sich um ein Tatsachenprotokoll. Das Hauptversammlungsprotokoll ist der Bericht des Notars über seine Wahrnehmungen, den er nicht in der Hauptversammlung herstellen und unterzeichnen muss, sondern auch nachträglich fertigstellen und selbst nach seiner Unterzeichnung noch ändern kann, solange er sich seiner nicht entäußert. Bis dahin ist es ein Entwurf. Es handelt sich um ein "Internum", mag es auch schon vom Notar unterzeichnet sein. Änderungen sind daher zumindest so lange zulässig, bis der Notar Ausfertigungen oder Abschriften der von ihm autorisierten Endfassung erteilt. Bis dahin kann der Notar die Niederschrift auch vernichten und neu fertigen, wenn ihm Formulierungen nicht behagen oder er Unrichtigkeiten feststellt. Die Berichtigungsvorschrift des § 44a BeurkG gilt nicht.
Rz. 1313
Ausdrücklich offengelassen hat es der BGH, ob die vorsorgliche Unterzeichnung der "Rohfassung" des Protokolls unmittelbar nach Beendigung durch den Notar zu einer gültigen Niederschrift i.S.d. § 130 AktG führt, wenn der Notar keine Reinschrift mehr fertigen kann (weil er handlungsunfähig geworden oder gestorben ist) und der Notar für diesen Fall die Anweisung gegeben hat, diese von ihm unterzeichneten Aufzeichnungen zu verwenden (Mentalreservation). Die Lit. geht auch in diesem Fall von einer wirksamen Hauptversammlungsniederschrift aus.
Rz. 1314
Zeitliche Vorgaben für die Fertigstellung der Hauptversammlungsniederschrift gibt es nicht. Die Fertigstellung muss so rechtzeitig sein, dass der Vorstand seiner Verpflichtung zur Einreichung der Niederschrift beim Handelsregister nach § 130 Abs. 5 AktG nachkommen kann. Die 2-Wochenfrist für das Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 Abs. 2 Satz 2 AktG oder die Monatsfrist für die Anfechtungsklage nach § 246 Abs. 1 AktG können zwar als mögliche gesetzgeberische Idealvorstellung herangezogen werden. Eine Rechtspflicht zur Beachtung dieser Fristen besteht aber nicht.