Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1008
Der Aufsichtsrat hat gem. § 116 AktG ebenso wie ein Vorstandsmitglied bei seiner Tätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. § 93 AktG gilt sinngemäß (§ 116 Satz 1 AktG). Der Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach einem ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglied. Dieser objektivierte Verschuldensmaßstab ist grds. für alle Aufsichtsratsmitglieder gleich, insb. gilt er also auch für die Arbeitnehmervertreter im mitbestimmten Aufsichtsrat. Jedes Aufsichtsratsmitglied muss die Mindestkenntnisse oder Mindestfähigkeiten besitzen oder sich aneignen, die zum Verständnis oder zur Beurteilung aller normalen Geschäftsvorgänge erforderlich sind. Aufsichtsratsmitglieder, die innerhalb des Gremiums besondere Funktionen wahrnehmen, wie insb. der Aufsichtsratsvorsitzende und die Mitglieder von Ausschüssen, unterliegen einem strengeren Maßstab. Pflichtverletzungen innerhalb eines Ausschusses betreffen daher in erster Linie die Mitglieder dieses Ausschusses. Die übrigen Aufsichtsratsmitglieder haften nicht, es sei denn, sie haben auf die vorbereitende Tätigkeit des Ausschusses blind vertraut, ohne diese sorgfältig auf ihre Plausibilität zu überprüfen, oder sie sind i.R.d. Gesamtorgans Aufsichtsrat ihrer Überwachungs- und Kontrollfunktion ggü. der Tätigkeit der Ausschüsse nicht genügend nachgekommen.
Rz. 1009
Zu den Pflichten des Aufsichtsrats gehört es, bei Insolvenzreife den Vorstand darauf hinzuweisen, verbotswidrige Zahlungen zu unterlassen (§ 92 Abs. 2 Satz 1 AktG). Eine Verpflichtung, die gesamte Geschäftsführung des Vorstands in allen Einzelheiten zu überwachen, kann aber nicht verlangt werden. Andererseits verschärft sich die Überwachungspflicht bei einer sich verschlechternden Lage des Unternehmens, etwa durch zusätzliches Anfordern von Vorstandsberichten sowie die Einberufung von Sondersitzungen des Aufsichtsrats. Beides ist nicht dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats vorbehalten, sondern kann durch jedes Mitglied erfolgen (§§ 90 Abs. 3 Satz 2, 110 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AktG). Die Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre (§ 93 Abs. 6 AktG).
Rz. 1010
Weitere Pflicht des Aufsichtsrats ist es, Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder zu prüfen und bestehende Ansprüche zu verfolgen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach und verjähren die Ansprüche gegen den Vorstand, beginnt die Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft gegenüber dem Aufsichtsrat nicht schon in dem Zeitpunkt des Fehlverhaltens des Vorstandes, sondern erst mit Eintritt der Verjährung der Ersatzansprüche gegen den Vorstand.
Rz. 1011
Im Haftungsprozess hat der Anspruchsteller zu beweisen, dass ein Schaden eingetreten ist, der möglicherweise auf einem Tun oder Unterlassen des Aufsichtsratsmitglieds beruht. Gelingt dies, hat der Aufsichtsrat zu beweisen, dass er nicht pflichtwidrig gehandelt hat oder der Schaden auch bei pflichtgemäßem Handeln eingetreten wäre.
Rz. 1012
Nach § 116 Abs. 1 Satz 2 AktG ist der Aufsichtsrat zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Verschwiegenheit erstreckt sich auf alle vertraulichen Informationen sowie auf den gesamten Inhalt der Beratungen im Aufsichtsrat. Objektiver Maßstab ist das Gesellschaftsinteresse.
Rz. 1013
Auch die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder kann durch eine D&O Versicherung abgesichert werden. Auf die obigen Ausführungen zur D&O Versicherung bei Vorstandsmitgliedern kann grds. verwiesen werden (s.o. Rdn 882 ff.). Ein Selbstbehalt wie für den Vorstand muss beim Aufsichtsrat nicht zwingend vereinbart werden (§ 116 Satz 1 AktG). Für den Abschluss der Versicherung seitens der Gesellschaft ist nach § 78 AktG immer der Vorstand zuständig. Str. ist, ob eine solche Versicherung Teil der Aufsichtsratsvergütung ist, sodass dann, wenn keine entsprechende Regelung in der Satzung enthalten ist, die Hauptversammlung darüber abstimmen muss. Die wohl h.M. verneint dies. Da dies noch nicht höchstrichterlich entschieden ist und es der BGH selbst als "zweifelhaft" bezeichnet hat, ob der Vorstand für den Abschluss einer D&O-Versicherung zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder zuständig sei, sollte zumindest sicherheitshalber eine Zustimmung der Hauptversammlung eingeholt werden, insbesondere wenn ein Selbstbehalt für den Aufsichtsrat nicht vorgesehen ist.