I. Antrag
1. Zuständigkeit
Rz. 13
Um das selbstständige Beweisverfahren in Gang zu setzen, bedarf es, wenn der Rechtsstreit anhängig ist, eines Antrags beim zuständigen Prozessgericht (§ 486 Abs. 1 ZPO). Gem. § 486 Abs. 2 ZPO ist bei fehlender Anhängigkeit das nach dem Vortrag des Antragstellers zur Entscheidung in der Hauptsache berufene Gericht zuständig. Für die örtliche Zuständigkeit gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 13 ff. ZPO. Es gilt der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes, da der Ort des Bauvorhabens Erfüllungsort i.S.d. § 29 ZPO ist. Sofern mehrere Gerichtsstände zur Verfügung stehen, hat der Antragsteller also ein Wahlrecht nach § 35 ZPO. Hinsichtlich der getroffenen Wahl des Gerichtsstandes besteht eine Bindungswirkung, die Bindungswirkung einer etwaigen Verweisung nach § 281 ZPO ist jedoch zu berücksichtigen. Das Wahlrecht ist damit für das selbstständige Beweisverfahren verbraucht und erzeugt keine Bindungswirkung für das Hauptsacheverfahren. Ausnahmen von diesem Wahlrecht ergeben sich dann, wenn die VOB/B zugrunde liegt und die Zuständigkeitsvorschrift des § 18 VOB/B greift.
Rz. 14
Bei Vorliegen "dringender Gefahr" ist das AG zuständig, "in dessen Bezirk die zu vernehmende oder zu begutachtende Person sich aufhält oder die in Augenschein zu nehmende oder zu begutachtende Sache sich befindet" (vgl. § 486 Abs. 3 ZPO).
Rz. 15
In einem nachfolgenden Streitverfahren kann sich der Antragsteller auf die Unzuständigkeit des Gerichts nicht berufen (vgl. § 486 Abs. 2 S. 2 ZPO), der Antragsgegner dagegen schon.
Rz. 16
Wird eine Hauptsache durch Klagerücknahme erledigt, beseitigt dies die Zuständigkeit des Gerichts für das selbstständige Beweisverfahren nicht, kann aber ebenso wie eine rechtskräftige Hauptsacheentscheidung das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lassen.
2. Form und Inhalt
Rz. 17
Der Antrag muss schriftlich erfolgen, er kann aber auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden (§ 486 Abs. 4 ZPO). Für den Antrag besteht grundsätzlich kein Anwaltszwang (§ 486 Abs. 4, 78 Abs. 3 ZPO). Die mündliche Verhandlung über den Antrag und das weitere Verfahren unterliegen dagegen dem Anwaltszwang, sofern sie vor einem diesem Zwang gem. § 78 Abs. 1, Abs. 2 ZPO ausgesetzten Gericht erfolgen. Mit Antragsstellung bestimmt der Antragsteller eigenverantwortlich den Gegenstand der Beweisaufnahme und die Beweismittel.
Rz. 18
Hinsichtlich des Inhalts des Antrags sind die Angaben zu § 487 Nr. 1–4 ZPO Zulässigkeitsvoraussetzungen des selbstständigen Beweisverfahrens. So muss der Antrag nach
§ 487 Nr. 1–4 ZPO enthalten:
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die Bezeichnung des Gegners |
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die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll |
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die Benennung der Zeugen oder die Bezeichnung der übrigen nach § 485 ZPO zulässigen Beweismittel |
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die Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulässigkeit des selbstständigen Beweisverfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts begründen sollen |
Rz. 19
Bevor es zu einer Zurückweisung des Antrags wegen Antragsmängeln kommt, gelten für das Gericht auch im selbstständigen Beweisverfahren die Hinweispflichten des § 139 ZPO. Ist das Beweismittel offensichtlich nicht geeignet, einen erheblichen Beweis zu erbringen, kann der Antrag als nutzlos zurückgewiesen werden.
3. Gegenantrag
Rz. 20
Stimmt der Antragsgegner nicht ausdrücklich zu (vgl. § 485 Abs. 1 Alt. 1 ZPO), kann er einen Gegenantrag stellen, in dem er z.B. eine Erweiterung der Beweisfrage oder Beweismittel beantragt oder den Gegenbeweis antritt. Dabei ist ein solcher Gegenantrag jedenfalls immer dann zulässig, wenn die Erweiterung der Beweisfragen mit dem ursprünglichen Beweisthema in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang steht, es durch den gleichen Sachverständigen behandelt werden kann und die Einbeziehung in die Beweiserhebung keine entscheidende Verzögerung zur Folge hat. Hatte das Gericht jedoch bereits bei Identität beider Beweisthemen einen gem. § 404 ZPO ernannten Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt, ist der Gegenantrag unzulässig.