Carolin Ott, Anja Surwehme
Rz. 13
& Vorbemerkung
Da der Rentenbescheid sehr umfangreich ist und die gesamte Rentenberechnung und die Ermittlung der Berechnungsgrundlagen beinhaltet, ist eine Überprüfung häufig aufwendig. Einige der Berechnungsfaktoren, die sich aus dem Gesetz ergeben, sind dabei objektiv ermittelbar, andere Berechnungsfaktoren wie die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte sind nur anhand der Angaben des Mandanten festzustellen.
Rz. 14
& Zu 1.
a) Fristberechnung
Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat (nicht vier Wochen!). Die Frist knüpft an die Bekanntgabe des Rentenbescheids an. Der Bescheid gilt gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (Drei-Tages-Fiktion). Dies gilt nach allgemeiner Auffassung auch dann, wenn der Bescheid tatsächlich früher zugegangen ist.
Beispiel zur Fristberechnung: Die Behörde gibt den Bescheid per Einschreiben am Donnerstag, 15.1. zu Post, tatsächlich zugestellt wird der Bescheid am Samstag, 17.2. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gilt als Bekanntgabe Sonntag, der 18.1. (Drei-Tages-Fiktion), sodass die Frist am 18.2. um 24.00 Uhr endet.
Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung, so gilt gemäß § 66 Abs. 2 SGG die Jahresfrist. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist gemäß § 36 SGB X nur ordnungsgemäß, wenn sie folgende Mindestangaben enthält:
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Bezeichnung des Rechtsbehelfs |
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Benennung der zuständigen Widerspruchsbehörde |
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Sitz der den Bescheid erlassenden Behörde |
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Frist |
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Form |
Rz. 15
b) Folgen der Fristversäumnis
Wird der Widerspruch nicht fristgemäß eingereicht, so ist er unzulässig. Ggf. kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
Rz. 16
c) Form des Widerspruchs
§ 84 SGG regelt die einzuhaltenden Formalien. Demgemäß ist die Einlegung zur Niederschrift der den Bescheid erlassenden Behörde zulässig, ansonsten gilt ein Schriftformerfordernis im Sinne des § 126 BGB, wobei grundsätzlich auch die elektronische Einreichung unter den Voraussetzungen des § 36a Abs. 2 SGB I zulässig wäre. Demnach bedarf es für die elektronische Form zwingend einer qualifizierten elektronischen Signatur, was auch bei Einreichung über das beA ohne Ausnahme gilt, da § 36a Abs. 2 SGB I keine dem § 130a Abs. 3 ZPO entsprechende Regelung aufweist.
Rz. 17
& Zu 2.
Kernbereich des Widerspruchsverfahrens ist die Begründung. Sie ist zwar nicht vorgeschrieben, indes sinnvoll, wenn der Widerspruch zum Erfolg führen soll. Im Regelfall ist es notwendig, vor der Begründung des Widerspruchs Akteneinsicht bei der Rentenbehörde zu beantragen. Nur so kann sicher festgestellt werden, welche Berechnungsgrundlagen für die Behörde maßgeblich waren.
Folgende zu überprüfende Einzelpunkte enthält die Rentenberechnung:
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Ist die beantragte Rente bewilligt worden? Zunächst ist die Grundfrage zu beantworten, ob die beantragte Rentenart bewilligt wurde und ob es sich hierbei um die für den Mandanten günstigste Rentenart handelt. Die Feststellung, welche Rentenart (Altersrente, Rente wegen Erwerbsminderung etc.) hier bewilligt wurde, beeinflusst maßgeblich die weitere Prüfung. |
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Sind die Entgeltpunkte richtig ermittelt? Die Grundsätze zur Ermittlung der Rentenhöhe finden sich in den § 63 SGB VI. Entgeltpunkte erlangt der Versicherte, indem das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen in Entgeltpunkte umgerechnet wird. Die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres ergibt einen vollen Entgeltpunkt. Im Rentenbescheid findet sich der Versicherungsverlauf. Dort sind alle rentenrechtlich relevanten Zeiten des Mandanten aufgeführt. Ob der Versicherungsverlauf alle Beitragszeiten enthält, ist anhand der Angaben des Mandanten zu seinem Erwerbsleben festzustellen. Zu differenzieren ist zwischen Entgeltpunkten für Beitragszeiten und für beitragsfreie Zeiten. |
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Ist der Zugangsfaktor in richtiger Höhe eingesetzt? Sind die Entgeltpunkte festgestellt, so ergeben sich die für den Mandanten persönlichen Entgeltpunkte, indem die Summe aller zum Rentenbeginn festgestellten Entgeltpunkte mit dem Zugangsfaktor multipliziert werden (§ 63 Abs. 6 SGB VI). Der Zugangsfaktor ist in § 77 SGB VI geregelt. Bei Renten wegen Alters beträgt er ab dem Erreichen des für den Versicherten maßgeblichen Rentenalters 1,0. Ansonsten variiert er je nach Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder nach der Rentenart. |
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Ist der aktuelle Rentenwert berücksichtigt? Der aktuelle Rentenwert ist der Betrag, der einer monatlichen Rente wegen Alters der Rentenversicherung der Angestellten entspricht, wenn für ein Kalenderjahr Beiträge aufgrund eines Durchschnittsentgelts gezahlt worden sind. Der aktuelle Rentenwert wird nach einer komplizierten Formel gemäß § 68 SGB VI jeweils zum 1.7. eines jeden Jahres festgelegt. Bisher gab es für West- und Ostdeutschland unterschiedliche Rentenwerte, die jedoch Jahr für Jahr aneinander angeglichen wurden, sodass zum 1.7.2023 ein deutschlandweit einheitlich geltender Rentenwert ... |