Dr. Lutz Förster, Dennis Ch. Fast
Rz. 121
Das RVG sieht an mehreren Stellen vor, dass bestimmte Gebühren einer Angelegenheit auf Gebühren einer anderen Angelegenheit angerechnet werden.
a) Anrechnung bei Rahmengebühren, § 14 Abs. 2 RVG n.F.
Rz. 122
Mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz im Jahre 2013 hat der Gesetzgeber eine Anrechnungsregel für die Fälle der Rahmengebühr in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3 VV RVG sowie in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 VV RVG eingeführt, mit der klargestellt werden sollte, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die nunmehr vorgeschriebene Anrechnung berücksichtigt werden soll und nicht nochmals bei der konkreten Bestimmung der Gebühr für das nachfolgende Verfahren. Bei der Anwendung dieser Vorschriften kam es in der Praxis wiederholt zu Anwendungsschwierigkeiten, wodurch Rechtsanwälte im Festsetzungsverfahren ihre Gebühr teilweise doppelt gekürzt haben. Um diese Anwendungsschwierigkeiten zu beseitigen, wurden die Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3 VV RVG sowie die Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV RVG aufgehoben und durch § 14 Abs. 2 RVG n.F. ersetzt. Dort heißt es:
Zitat
"(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen."
Entsprechend soll der Rechtsanwalt seine zweite Gebühr nach sämtlichen Bemessungsmerkmalen von § 14 Abs. 1 RVG so bestimmen, als sei er zuvor nicht tätig gewesen. Der Synergieeffekt, der durch die weitere Befassung eintritt, wird ausschließlich durch die vorgeschriebene Anrechnung abgegolten.
b) Anrechnung bei mehreren Gebühren
Rz. 123
Mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz von 2021 hat der Gesetzgeber auch die Anrechnung mehrerer Gebühren auf eine Gebühr reformiert und § 15a Abs. 2 RVG n.F. eingeführt. Dort heißt es:
Zitat
"(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnungen den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen."
Rz. 124
Mit § 15a Abs. 2 RVG n.F. widerspricht der Gesetzgeber der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2017. Der BGH hat in seinem Beschluss den folgenden Leitsatz aufgestellt:
Zitat
"Fällt die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts mehrfach an und werden die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche im Wege objektiver Klagehäufung in einem einzigen gerichtlichen Verfahren verfolgt, so dass die Verfahrensgebühr nur einmal anfällt, sind alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen."
Rz. 125
Der BGH vertrat die Auffassung, dass sämtliche Geschäftsgebühren grundsätzlich in der tatsächlichen Höhe auf die gerichtliche Verfahrensgebühr anzurechnen waren. Dies hat dazu geführt, dass der Rechtsanwalt in den Fällen, in denen die Summe der anzurechnenden Beträge die Höhe der Verfahrensgebühr erreicht oder überstiegen hat, im gerichtlichen Verfahren keine Verfahrensgebühr mehr verdient hat. Durch § 15a Abs. 2 RVG n.F. wird der Anrechnungsbetrag aber begrenzt, wodurch dem Rechtsanwalt in der Regel eine Verfahrensgebühr erhalten bleibt und seine Motivation für eine gerichtliche Durchsetzung geschaffen werden soll. Entsprechend wird ein Anrechnungshöchstbetrag eingeführt, der sich an § 15 Abs. 3 RVG orientiert.
Rz. 126
Der Gesetzgeber folgt damit der anderen Ansicht, die der BGH in seiner Entscheidung noch abgelehnt hat, und sichert dem Rechtsanwalt im gerichtlichen Verfahren in der Regel zumindest einen Teil seiner Verfahrensgebühr. Bei Betragsrahmengebühren sollen die im VV RVG bestimmten Anrechnungshöchstbeträge gelten. Die dargestellte Konstellation kann sich aber nicht nur bei der Anrechnung von Geschäftsgebühren, sondern auch bei der Anrechnung anderer Gebühren ergeben, wodurch der Gesetzgeber die geänderte Anrechnungsbestimmung als allgemeine Regelung in § 15a Abs. 2 RVG n.F. und nicht als Änderung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG eingeführt hat.