Dr. Lutz Förster, Dennis Ch. Fast
Rz. 13
Die Vertretung von widerstreitenden Interessen kann für den Rechtsanwalt ein ganzes Bündel von Rechtsfolgen auslösen. Neben der Beendigung des Mandats können strafrechtliche, berufsrechtliche, verfahrensrechtliche und gebührenrechtliche Konsequenzen drohen.
Rz. 14
Liegt eine Interessenkollision bereits bei der Annahme des Mandats vor, besteht für den Rechtsanwalt aus der Kehrseite des Tätigkeitsverbots von §§ 43a Abs. 4, 45 und 46 BRAO bzw. § 3 Abs. 4 BORA das Gebot, kein Mandat anzunehmen, dessen Wahrnehmung einen Verstoß gegen diese Normen begründen würde. Bei einer Interessenkollision muss die Ablehnung des Mandats nach § 44 S. 1 BRAO unverzüglich erklärt werden.
Rz. 15
Kommt es zu einer Interessenkollision im Laufe der Mandatsvertretung, ist der Rechtsanwalt nach § 3 Abs. 4 BORA verpflichtet, bei einem Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO unverzüglich den Mandanten von der Interessenkollision in Kenntnis zu setzen und alle Mandate in derselben Rechtssache niederzulegen. Ein Wahlrecht des Rechtsanwalts, zumindest eines der Mandate weiterzuführen, wird nicht begründet, insbesondere kann er sich nicht darauf berufen, dass er zunächst ein Mandat in zulässiger Weise geführt hat, bevor durch die Annahme des zweiten Mandats die Interessenkollision eingetreten ist. Unterlässt der Rechtsanwalt die Niederlegung der Mandate in derselben Rechtssache, besitzen die Mandanten das Recht, den Anwaltsvertrag nach § 627 Abs. 1 BGB zu kündigen, sofern der Rechtsanwalt das Mandat ungeachtet der Vertretung widerstreitender Interessen fortführt und den Mandanten nicht auf den bestehenden Interessenkonflikt hinweist.
Rz. 16
Inwieweit der Rechtsanwalt beim Vorliegen von widerstreitenden Interessen seine Vergütung verdient hat, hängt maßgeblich davon ab, wann im Mandatsverhältnis die Interessenkollision eintritt. Der Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der Rechtsanwalt gegen das Verbot widerstreitender Interessen verstößt, ist nichtig. Liegt der Verstoß bei Abschluss des Mandatsvertrags daher vor, verliert der Rechtsanwalt grundsätzlich seine gebührenrechtlichen Ansprüche. Dennoch kann der Rechtsanwalt seine Gebührenansprüche im Einzelfall aus dem Bereicherungsrecht herleiten, sofern der Entreicherungseinwand nicht entgegensteht. Letzteres ist der Fall, wenn nach dem Aufdecken der Interessenkollision die Einschaltung eines weiteren Rechtsanwalts durch den Mandanten notwendig wird, in dessen Person die geltend gemachten Gebühren wiederum entstehen.
Rz. 17
Tritt hingegen eine Interessenkollision erst im Laufe der Mandatsvertretung auf, beispielsweise durch die Annahme eines zweiten Mandats in derselben Rechtssache, soll diese nicht dazu führen, dass der Rechtsanwalt jeglichen Vergütungsanspruch verliert, sofern die Honoraransprüche vor der Pflichtverletzung entstanden sind. Der Verstoß gegen das berufsrechtliche Verbot begründet keine rückwirkende Nichtigkeit. Es entfaltet nur eine "ex-nunc"-Wirkung. Daher bleiben dem Rechtsanwalt grundsätzlich die Vergütungsansprüche, die er vor dem Eintritt der Interessenkollision oder Änderung der Interessenlage der Partei verdient hat, zunächst erhalten.
Rz. 18
Die Vertretung widerstreitender Interessen kann den Straftatbestand des Parteiverrats verwirklichen und berufsrechtliche Folgen haben, abhängig davon, ob der Rechtsanwalt vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Ein Interessenwiderstreit führt nicht zur Nichtigkeit der Prozessvollmacht und vorgenommenen Rechtshandlungen im Verfahren.