Dr. Lutz Förster, Dennis Ch. Fast
a) Ausschlagung
Rz. 127
Im Vorfeld zu einem Prozess kann es zu Fällen kommen, in denen der Anwalt um Überprüfung gebeten wird, ob die Erbschaft noch ausgeschlagen werden kann oder es wenigstens eine Haftungsbeschränkung gebe. Kommt er zu dem Ergebnis, dass die Erbschaft noch ausgeschlagen werden kann, stellt sich die Frage nach der Bestimmung des Gegenstandswerts. Bei der Ausschlagung ist das Problem, dass ein "negativer" Nachlass besteht. Es ist auf das Interesse des Mandanten an der Ausschlagung abzustellen. Wenn der Nachlass mit einer Summe von 10.000 EUR überschuldet ist, ist das Interesse des Erbenschuldners in derselben Höhe und unabhängig davon, ob er Allein- oder Miterbe ist, da er andernfalls mit seinem Privatvermögen voll haften würde. Die Haftungsbeschränkung durch die Erben vermindert den Streitwert nicht beim Schuldnervertreter. Wird der Anwalt nur mit der Haftungsbeschränkung beauftragt, ist wiederum auf sein Interesse abzustellen.
b) Stufenklage bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen
aa) Auskunftsklage
Rz. 128
Wird der Rechtsanwalt nur mit der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs beauftragt und klagt er danach aufgrund eines weiteren gesonderten Auftrages die Zahlung ein, sind zwei separate Gebührentatbestände erfüllt.
Es entstehen für den Kläger, gem. den §§ 91 ff. ZPO, keine Kostenerstattungsprobleme durch diese Vorgehensweise, selbst wenn durch eine Stufenklage insgesamt geringere Gebühren entstanden wären.
bb) Stufenklage
Rz. 129
Werden die Ansprüche im Rahmen einer Stufenklage geltend gemacht, handelt es sich nur um eine gebührenrechtliche Angelegenheit. Maßgeblich für die Wertberechnung ist dabei der höhere der geltend gemachten Ansprüche, § 44 GKG, wortgleich mit § 38 FamGKG, in den meisten Fällen also der Zahlungsanspruch. Unterbleibt die mündliche Verhandlung wegen vorheriger Klageabweisung, kann der Anwalt die Verhandlungsgebühr nur auf Grundlage des Werts der Auskunft verlangen, wobei allerdings eine Korrektur dann erfolgen kann, wenn die Auskunftserteilung zu einem wertmäßig höheren Leistungsanspruch führt. Erweist sich der Leistungsantrag nach erteilter Auskunft als zu hoch, bleibt es bei der zunächst angenommenen höheren Schätzung, solange jedenfalls, bis ein Leistungsantrag gestellt wird.
Rz. 130
Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gebührenstreitwert einer Stufenklage erst dann festzusetzen ist, wenn eine Entscheidung über die Leistungsstufe ergangen ist. Eine frühere Festsetzung ist auf die Beschwerde einer Partei aufzuheben.
Rz. 131
Die Bewertung der Leistungsstufe ist problematisch, wenn diese nach Auskunft nicht beziffert wird (sogenannte "steckengebliebene Stufenklage"). Richtigerweise ergibt sich der Wert aus der bei Klageerhebung erkennbar gewordenen Vorstellung des Klägers zum Zeitpunkt der Klageerhebung. Dies gilt nicht für einen später gestellten Leistungsantrag. Notfalls muss der vermeintliche Leistungsanspruch geschätzt werden. Die Rechtsprechung geht dann unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände bei der Wertbemessung des Auskunftsanspruchs von einem Gegenstandswert i.H.v. 1/10 bis 2/5 des vermeintlichen Leistungsanspruchs aus. Es kommt letztendlich entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an, welche konkrete Bruchteilsquote gerechtfertigt ist. Stellt sich nach der Auskunft heraus, dass weit höhere Ansprüche bestehen, erhöht sich nachträglich der Gegenstandswert der Auskunftsklage. Besteht die Gefahr, dass nach Auskunftserteilung der Leistungsantrag nicht beziffert wird oder werden kann, da kein Vermögen vorhanden ist, so sollte auf jeden Fall – vor Einholung der Auskunft – die (Begehrens-)Vorstellung des Mandanten schriftlich niedergelegt werden, damit sie Grundlage für die spätere Berechnung werden kann. Bleibt der Leistungsantrag unbeziffert, ist dessen Wert gleichwohl maßgebend, wobei das Leistungsinteresse des Antragstellers zu schätzen ist. Der höchste Streitwert ist stets maßgebend für die gerichtliche und die anwaltliche Verfahrensgebühr. Hierbei ist immer realistisch vorzugehen und der Anwalt hat sich vorsorglich die Begehrensvorstellungen von dem Mandanten bestätigen zu lassen. Bei zu hohen Vorstellungen kann es gegebenenfalls zu einer negativen Kostenentscheidung kommen.
Rz. 132
Der BGH löste das Problem dahingehend, dass er dem Kläger einen materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch in Bezug auf die angefallenen Kosten der unbegründeten Zahlungsklage zubilligt, wenn diese bei rechtzeitiger Auskunftserteilung vermeidbar gewesen wären. Diesen Schadensersatzanspruch kann der Kläger entweder in einem Folgeprozess oder aber im laufenden Prozessverfahren im Wege einer Klageänderung einfordern, welche nach Ansicht des BGH nach 263 ZPO als sachdienlich angesehen wird. Hierbei besteht wiederum die Wahlmöglichkeit zwischen einer Feststellungsklage und einer direkt bezifferten Leistungsklage. Ist es möglich, einen ...