Rz. 96
Die Dreiteilungsmethode auf Bedarfsebene wurde vom BVerfG abgelehnt. Der Bedarf von F1 ist unabhängig von F2 nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln (vgl. Fälle 33 bis 36, siehe § 9 Rdn 1 ff., § 10 Rdn 1 ff.).
a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M
aa) Vorwegabzug des Kindesunterhalts?
Rz. 97
Hier stellt sich zunächst die Frage, ob der Kindesunterhalt vorweg abzuziehen ist.
Es gilt das Stichtagsprinzip.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB werden grundsätzlich durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind (Stichtagsprinzip). Nacheheliche Entwicklungen wirken sich auf die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, wenn sie auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären oder in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2011, 437).
Rz. 98
Grds. ist entscheidend, ob das Kind vor oder nach Rechtskraft der Scheidung geboren wurde.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Nach dem Stichtagsprinzip werden die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich jedenfalls durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eintreten. Hierbei ist grundsätzlich auch das Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter bis zur rechtskräftigen Ehescheidung zu berücksichtigen.
Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats sowohl für gemeinsame Kinder als auch für Kinder des Unterhaltspflichtigen aus einer neuen Beziehung, die bereits vor Rechtskraft der Ehescheidung geboren sind. Dies gilt selbst dann, wenn die Kinder inzwischen volljährig und nach § 1609 Nr. 4 BGB gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nachrangig sind. Dies gilt auch für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB, den die Mutter eines vor Rechtskraft der Ehescheidung geborenen nichtehelichen Kindes schon während der Ehezeit von dem unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten verlangen kann.
Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.
Rz. 99
Das Kind entstammt der Beziehung mit der zweiten Frau. Ob ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts erfolgen kann, hängt davon ab, ob dieser Kindesunterhalt die Lebensverhältnisse der ersten Ehe, also der Ehe zwischen M und F1, geprägt hat. Dies wäre nur der Fall, wenn das Kind vor Rechtskraft der Scheidung der Ehe von M und F1 geboren wurde. Dies ist nicht der Fall. Das Kind wurde erst während der zweiten Ehe und damit nach Rechtskraft der Scheidung der ersten Ehe geboren.
Ein Vorwegabzug erfolgt also nicht, wenngleich diese Frage im vorliegenden Fall wegen der beengten finanziellen Verhältnisse letztlich ohnehin keine Bedeutung haben wird.
bb) Vorwegabzug des möglichen Ehegattenunterhalts für F2?
Rz. 100
Ein etwaiger Unterhaltsanspruch von F2 ist bei der Bestimmung des Bedarfs von F1 ebenfalls nicht vom Einkommen des M abzuziehen. Denn diese Unterhaltslast hat die Ehe von M und F1 nicht geprägt (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 1).
Rz. 101
Für die Bestimmung des Bedarfs von F1 ist also das volle Einkommen heranzuziehen. Lediglich der Erwerbstätigenbonus ist abzuziehen.
Erwerbstätigenbonus M: 1.700 EUR × 10 % = 170 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen M: 1.700 – 170 EUR = 1.530 EUR
b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1
Rz. 102
Erwerbstätigenbonus F1: 500 EUR × 10 % = 50 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen: 500 – 50 EUR = 450 EUR
c) Halbteilung (Grundsatz der gleichen Teilhabe)
Rz. 103
Der Bedarf von F1 beträgt ½ aus (1.530 + 450 EUR) = ½ aus 1.980 EUR = 990 EUR.