Rz. 59
Bei der Ermittlung des Bedarfs der F2 – anders als bei F1, der ersten Ehefrau – ist nunmehr zu beachten, dass die Lebensverhältnisse der Ehe zwischen M und F2 bereits durch die Unterhaltspflicht des M gegenüber F1 geprägt wurden.
Es gilt der Halbteilungsgrundsatz (Grundsatz der gleichen Teilhabe an den ehelichen Lebensverhältnissen).
a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M in Bezug auf F2
Rz. 60
Bei der Bedarfsermittlung ist also das um den Unterhaltsanspruch der F1 gekürzte Einkommen des M einzusetzen.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Der im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigende Unterhaltsbedarf eines konkurrierenden neuen Ehegatten ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den ehelichen Lebensverhältnissen wegen des insoweit zu beachtenden Prioritätsgrundsatzes abhängig vom Unterhalt einer geschiedenen Ehefrau zu bemessen.
Rz. 61
Vom Einkommen des M ist deshalb der oben ermittelte Unterhaltsanspruch bzw. ungedeckte Restbedarf der F1 (900 EUR) abzuziehen. Es verbleiben 1.600 EUR (2.500 – 900 EUR).
Bereinigtes Nettoeinkommen des M (nach Abzug des Unterhalts für F1): 1.600 EUR (2.500 – 900 EUR).
Erwerbstätigenbonus: 1.600 EUR × 10 % = 160 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen des M: 1.600 – 160 EUR = 1.440 EUR
b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F2
Rz. 62
Hier stößt man auf das Problem, dass es grundsätzlich im Belieben von M und F2 steht bzw. während intakter Ehe stand, ob F2 arbeitet oder nicht, dass aber ihr Unterhaltsanspruch, dessen Höhe von den (fiktiven oder tatsächlichen) Einkünften abhängt, Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch der F1 haben kann.
aa) Bestimmung ohne fiktives Einkommen der F2
Rz. 63
F2 hat kein Einkommen. Gegenüber M trifft sie im ersten Trennungsjahr grds. keine Erwerbsobliegenheit.
Danach wäre das Einkommen mit 0 EUR anzusetzen.
Gesamtbedarf von M und F2: 1.440 + 0 EUR = 1.440 EUR
Bedarf von F2: ½ von 1.440 EUR = 720 EUR
Der Mindestbedarf beträgt 960 EUR.
Ungedeckter Bedarf der F2 (Unterhaltshöhe)
Bedarf abzüglich (um den Erwerbstätigenbonus gekürztes) Eigeneinkommen: 960 – 0 EUR = 960 EUR
Rz. 64
Aber der Unterhaltsanspruch der F2 hat hier gemäß § 1581 Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch der F1.
Deshalb ist zu unterscheiden, was F2 tatsächlich gegenüber M geltend machen könnte (Einkommen 0 EUR) und in welchem Umfang M einen Unterhaltsanspruch der F2 seiner ersten Ehefrau F1 entgegenhalten kann.
bb) Bestimmung mit fiktivem Einkommen der F2
Rz. 65
Für F2 ist deshalb ein (fiktives) Einkommen anzusetzen, da für sie sogar ohne Trennung, also bei intakter Ehe, ein fiktives Einkommen anzusetzen wäre und diese "Last" dann auch in der Trennungszeit fortwirkt.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Weil sein Unterhaltsanspruch im Rahmen der Unterhaltskonkurrenz mit dem geschiedenen Ehegatten nach den §§ 1581, 1609 Nr. 2 BGB als hypothetischer nachehelicher Unterhalt zu bemessen ist, ist dann ein von ihm erzielbares Einkommen zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010, 111 Rn 46 ff.).
(Erzielbares/fiktives) Einkommen der F2: 900 EUR
Erwerbstätigenbonus: 900 EUR × 10 % = 90 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen der F2: 900 – 90 EUR = 810 EUR
Gesamtbedarf von M und F2: 1.440 + 810 EUR = 2.250 EUR
c) Zwischenergebnis: Bedarf von F2
Rz. 66
Der Bedarf von F2 beträgt nach Halbteilung 1.125 EUR (½ von 2.250 EUR).