Rz. 34
Wie das Fallbeispiel zeigt, müssen die Ergebnisse von (zweimaliger) Halbteilung in Verbindung mit einem Ausgleich nach § 1581 einerseits und Dreiteilung andererseits im Einzelfall nicht groß voneinander abweichen. Dies hängt aber letztlich von den Besonderheiten des Einzelfalls, also letztlich von Zufälligkeiten ab. Die Deutlichkeit, mit der der Unterschied der beiden Methoden hervortritt, hängt davon ab, welche Bedeutung dem "Gleichrang" in finanzieller Hinsicht beigemessen wird.
Rz. 35
Während der BGH wohl von einer finanziellen Gleichstellung ausgeht, wird andererseits vertreten, dass zwar einander nachfolgende Ehen durch Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG gleichrangig und gleichwertig geschützt werden, dass dies aber nicht zur wirtschaftlichen Gleichheit ungleicher Sachverhalte führen müsse und die erste und die zweite Frau finanziell nicht gleich ausgestattet werden müssten, also nicht über dieselben finanziellen Mittel verfügen müssten.
Rz. 36
Der Gesetzesbegründung kann nicht eindeutig entnommen werden, dass der Gesetzgeber auch eine finanzielle Gleichstellung gleichrangiger Ehefrauen beabsichtigte. Relevante Passagen lauten:
BT-Drucksache 16/1830, S. 12
Gerade wenn mehrere bedürftige Ehegatten aus erster und zweiter Ehe sowie minderjährige Kinder vorhanden sind, reicht das Einkommen des Unterhaltspflichtigen häufig nicht aus, um alle Unterhaltsbedürftigen ausreichend zu versorgen. Die Berechnung von Unterhaltsansprüchen in solchen Mangelfällen ist äußerst kompliziert und führt vielfach zu nicht angemessenen Ergebnissen. Zurückzuführen ist dies zum einen auf die nur noch Fachleuten verständliche Regelung des Mindestbedarfs von Kindern (§ 1612b des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB) und zum anderen auf die geltende Rangfolge (§§ 1582, 1609 BGB). Diese ist unter mehreren Gesichtspunkten unbefriedigend und wird zunehmend als nicht mehr gerecht empfunden. In den genannten – in der Praxis häufig auftretenden – Konstellationen erhalten die unterhaltsberechtigten Kinder und geschiedenen Ehegatten zusätzlich zu den Unterhaltszahlungen ergänzende Sozialleistungen. Dies ist einer der Gründe dafür, dass Ende 2003 1,08 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren auf Sozialhilfe angewiesen waren; 38 Prozent aller Empfänger von Sozialhilfe waren damit minderjährig (vgl. Statistisches Bundesamt, Statistik der Sozialhilfe: Kinder in der Sozialhilfe 2003 [2004]). Ein weiteres Problem der geltenden Rangfolge besteht in der weitgehenden Privilegierung des ersten Ehegatten, die auch unter dem Aspekt des Kindeswohls nicht mehr zu rechtfertigen ist.
Rz. 37
BT-Drucksache 16/1830, S. 13
Aber nicht jeder erwachsene Unterhaltsberechtigte ist in gleicher Weise schutzbedürftig. Vorrang müssen hier im Interesse des Kindeswohls alle kinderbetreuenden Elternteile haben unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder waren, gemeinsam oder allein ein Kind erziehen. Diese Personengruppe soll sich deshalb künftig im zweiten Rang befinden. Damit werden erster und zweiter Ehegatte, soweit sie Kinder zu betreuen haben, sowie nicht verheiratete Elternteile gleich behandelt. Ebenso schutzwürdig wie diejenigen, die gegen den Unterhaltsverpflichteten einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt haben, sind Ehegatten bei langer Ehedauer, da hier über Jahre hinweg Vertrauen in die eheliche Solidarität gewachsen ist. Dieses Vertrauen wirkt auch nach der Scheidung fort und bedarf eines besonderen Schutzes. Auch diese Ansprüche sollen sich deshalb künftig im zweiten Rang befinden.
Rz. 38
BT-Drucksache 16/1830, S. 23 f.
Künftig gilt damit auch im Fall der Konkurrenz zwischen mehreren Ehegatten das Gleiche, was bereits heute bei der Konkurrenz mehrerer Kinder gilt: Bei gleichbleibendem Einkommen des Pflichtigen müssen Kinder nämlich schon jetzt eine Schmälerung des auf sie entfallenden Unterhaltsanteils hinnehmen, sobald weitere unterhaltsberechtigte Kinder hinzukommen. Für den geschiedenen Ehegatten gilt künftig Entsprechendes; auch er hat keinen "Vertrauensschutz" dahingehend, dass sich durch Wiederheirat und Gründung einer Zweitfamilie der Kreis der unterhaltsberechtigten Personen nicht vergrößert und seine Unterhaltsquote nicht gekürzt wird.
Rz. 39
BT-Drucksache 16/1830, S. 24
Danach kann, soweit es etwa um die Verteilung des Resteinkommens zwischen Erst- und Zweitfamilie geht, besonders geprüft werden, ob nicht die Selbstbehaltssätze des Pflichtigen zu reduzieren sind, um der Erstfamilie auch im Vergleich zur Zweitfamilie ein angemessenes Auskommen zu sichern. Weiter ist auch, wie schon bisher, das rechnerische Gesamtergebnis im Wege einer "Gesamtschau" daraufhin zu überprüfen, ob im konkreten Einzelfall die Aufteilung des verfügbaren Einkommens auf die minderjährigen Kinder und den oder die unterhaltsberechtigten Ehegatten insgesamt billig und angemessen ist (vgl. BGH FamRZ 1997, 806 [811]; BGH FamRZ 2005, 347 [351]). Korrekturbedürftig kann eine Mangelfallberechnung insbesondere dann sein, wenn nach ihrem Gesamterg...