Rz. 75
An dieser Stelle, also bei der Frage der Leistungsfähigkeit, zeigt sich nunmehr das Problem, das die – auf Bedarfsebene überholte – Dreiteilungsmethode bereits auf der Ebene der Bedarfsermittlung zu lösen suchte.
Rz. 76
Nunmehr wird der Bedarf der ersten Ehefrau ohne Berücksichtigung der neuen Unterhaltspflicht gegenüber der zweiten Ehefrau ermittelt. Dagegen wird der Bedarf der zweiten Ehefrau unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht des M gegenüber der ersten Frau ermittelt.
Rz. 77
Diese Privilegierung der ersten Ehefrau bei der Bedarfsermittlung setzt sich beim Rang und damit bei der Leistungsfähigkeit nicht fort.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Die aus dem zeitlichen Ablauf folgende Privilegierung des Unterhaltsanspruchs eines geschiedenen Ehegatten gegenüber einem nachfolgenden Ehegatten ist für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und die Rangfolge der Unterhaltsberechtigten durch das zum 1.1.2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsänderungsgesetz ausdrücklich abgeändert worden (BT-Drucks 16/1830 S. 23).
Rz. 78
F1 und F2 sind im Fallbeispiel gleichrangig. Es bestünde jedoch das oben aufgezeigte Ungleichgewicht zugunsten der F1. Ihr Unterhaltsanspruch ist deshalb zu kürzen.
Ausgangspunkt für die Kürzung des Unterhaltsanspruchs der F1 ist folgende Überlegung:
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Dem Unterhaltspflichtigen muss im Verhältnis zum geschiedenen Ehegatten somit mehr als die Hälfte des Einkommens verbleiben, um auch den hinzugekommenen Betreuungsunterhalt seines neuen Ehegatten oder einen nachehelich entstandenen Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB (Anm: im Fallbeispiel handelt es sich um einen Trennungsunterhaltsanspruch, der aber gleichrangig ist) erfüllen zu können.
1. Auflösung der Konkurrenz durch Dreiteilung
Rz. 79
Als eine Möglichkeit der rechnerischen Umsetzung der Billigkeitsentscheidung wird für den Fall des Gleichrangs der Ehefrauen die Dreiteilung angesehen.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Wenn die Instanzgerichte diese wechselseitige Beeinflussung im Rahmen der nach § 1581 BGB gebotenen Billigkeit bei gleichrangigen Unterhaltsberechtigten grundsätzlich im Wege der Dreiteilung des vorhandenen Gesamteinkommens lösen, ist dies aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
BGH, Beschl. v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13
2. Sind ein geschiedener und ein neuer Ehegatte nach § 1609 BGB gleichrangig, ist im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen eine Billigkeitsabwägung in Form einer Dreiteilung des gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden (im Anschluss an Senat, BGHZ 192, 45 = NJW 2012, 384 = FamRZ 2012, 281). (amtlicher Leitsatz)
Rz. 80
Dies bedeute keine generelle Rückkehr zur Dreiteilungsmethode auf anderer Prüfungsstufe (Leistungsfähigkeit statt Bedarfsermittlung). Die Dreiteilung kommt vielmehr nur bei einem Gleichrang der Ehefrauen zur Anwendung.
Dies stehe nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der die Dreiteilung auf der Bedarfsebene und unabhängig von der zeitlichen Abfolge der Ehen abgelehnt wurde (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 1), nicht entgegen (vgl. Fall 35, siehe § 10 Rdn 1).
Rz. 81
Bei der Dreiteilung sei das gesamte Einkommen von M, F1 und F2 zu berücksichtigen (vgl. Fall 35, siehe § 10 Rdn 1).
Die Dreiteilung dürfe und müsse nicht starr angewendet werden.
Die Berechnung mittels Dreiteilung würde wie folgt lauten:
Einkommen des M: 2.500 EUR
Einkommen der F1: 500 EUR
Einkommen des F2: 900 EUR
Summe: 3.900 EUR
Dreiteilung: 3.900 EUR : 3 = 1.300 EUR
Unterhaltshöhe der F1: 800 EUR (1.300 – 500 EUR)
Unterhaltshöhe der F2: 400 EUR (1.300 – 900 EUR)
2. Anderweitige Auflösung der Konkurrenz nur im Verhältnis M und F1
Rz. 82
Im Fallbeispiel hätte F1 1.400 EUR (900 EUR Unterhalt und 500 EUR Eigeneinkommen).
M hätte nur 1.285 EUR (2.500 – 900 – 315 EUR).
Rz. 83
Nachdem der Erwerbstätigenbonus bereits in den Ausgangsberechnungen berücksichtigt wurde, würde es sich anbieten, schlicht die beiden Beträge zum Ausgleich zu bringen.
F1: 1.400 EUR
M: 1.285 EUR
Summe: 2.685 EUR
½ von 2.685 EUR = 1.343 EUR
Damit M und F1 jeweils auf 1.343 EUR kommen, ist der Unterhaltsanspruch von F1 um 57 EUR zu kürzen.
Es ergibt sich somit ein Unterhaltsanspruch der F1 in Höhe von 843 EUR (900 – 57 EUR).
Rz. 84
Somit hat M 1.342 EUR (2.500 – 843 – 315 EUR), F1 hat 1.343 EUR (843 + 500 EUR) und F2 hat 1.215 EUR (900 + 315 EUR).
Es ergäben sich also Unterhaltsansprüche in Höhe von 843 EUR für F1 und 315 EUR für F2.
Rz. 85
Nach der Dreiteilung ergäben sich Unterhaltsansprüche in Höhe von 800 EUR für F1 und 400 EUR für F2.
Rz. 86
Eine (vollständige) Annäherung an das Ergebnis der Dreiteilung würde erreicht, wenn die durch die Kürzung des Unterhaltsanspruchs der F1 gewonnenen zusätzlichen Mittel des M dann erneut in eine Berechnung des Unterhalts der F2 eingestellt würden. Dadurch erhöht sich der Unterhalt der F2 (wegen des nunmehr erhöhten Einkommens des M), was wieder eine Kürzung des Unterhalts der F1 erfordert, um zwischen ihr und M wieder ein Gleichgewicht (gleiche Teilhabe) herzustellen. Eine Fortsetzung dieser Berech...