Norbert Schneider, Lotte Thiel
1. Überblick
Rz. 188
Soweit gegen einen den Rechtszug beendenden Beschluss betreffend die Hauptsache im Verbundverfahren Beschwerde erhoben wird, gelten nach Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. b) VV die Gebühren nach Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 VV entsprechend. Anzuwenden sind die Vorschriften, die für ein Berufungsverfahren gelten. Dabei ist unerheblich, ob über Ehe- und Folgesachen zusammen entschieden oder ob über die Ehesache und gegebenenfalls einzelne Folgesachen vorab entschieden und über eine verbliebene Folgesache oder mehrere verbliebene Folgesachen durch Schlussbeschluss entschieden worden ist.
Rz. 189
Die Gebühren der Nrn. 3200 ff. VV gelten für alle Beschwerdeverfahren, unabhängig davon, ob sich die Beschwerde gegen die gesamte Verbundentscheidung richtet oder nur gegen eine oder mehrere Folgesachen, und zwar auch unabhängig davon, ob es sich um eine Folgesache handelt, die als isolierte Familiensache ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wäre oder eine Familienstreitsache.
Rz. 190
Die Gebühren der Nrn. 3200 ff. VV gelten auch dann, wenn nur eine "Zwischenentscheidung" angefochten wird, sofern diese dies eine Hauptsache betrifft. Dieser Fall kann bei Stufenanträgen zu Folgesachen vorkommen, wenn ein Teilbeschluss über die Auskunftsstufe oder den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung angefochten wird.
Beispiel 102: Beschwerde gegen Teilbeschluss mit "Zwischenentscheidung"
Der Antragsteller stellt im Verbundverfahren einen Stufenantrag auf Auskunft und Zahlung von Zugewinnausgleich. Nach Erteilung der Auskünfte weist das FamG den Antrag auf eidesstattliche Versicherung der Auskünfte durch Teilbeschluss ab. Hiergegen erhebt der Antragsteller Beschwerde zum OLG.
Die Gebühren richten sich gem. Vorbem. 3.2.1 Nr. 2a) VV nach den Gebühren eines Berufungsverfahrens.
2. Verfahrenswert
Rz. 191
Der Verfahrenswert im Beschwerdeverfahren richtet sich nach § 40 FamGKG. Gem. § 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG kommt es auf die gestellten Anträge an. Insoweit kann auf die Ausführungen zu den erstinstanzlichen Verfahren Bezug genommen werden (siehe hierzu § 7 Rdn 374 ff., § 8 Rdn 343 ff.).
Beispiel 103: Beschränkte Beschwerde
Das FamG hat die Scheidung ausgesprochen (Werte: Ehesache 9.000,00; Versorgungsausgleich 2.700,00 EUR) und den Ehemann zur Zahlung von Zugewinn in Höhe von 50.000,00 EUR verpflichtet sowie zu 500,00 EUR monatlichem nachehelichen Unterhalt. Der Ehemann legt Beschwerde nur gegen die Folgesache Versorgungsausgleich ein. Später nimmt er die Beschwerde zurück, ohne einen Antrag gestellt zu haben.
Es gilt nur der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich, da nur diese angefochten worden ist.
Beispiel 104: Unbeschränkte Beschwerde, beschränkter Antrag
Das FamG hat die Scheidung ausgesprochen (Werte: Ehesache 9.000,00; Versorgungsausgleich 2.700,00 EUR) und den Ehemann zur Zahlung von Zugewinn in Höhe von 50.000,00 EUR verpflichtet sowie zu 500,00 EUR monatlichem nachehelichen Unterhalt. Der Ehemann legt Beschwerde ein. Später begründet er die Beschwerde und beantragt in Abänderung des Beschlusses des FamG zum Versorgungsausgleich anders zu entscheiden. Später nimmt er die Beschwerde zurück.
Es gilt auch hier nur der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich, da nur diesbezüglich ein Antrag gestellt worden ist.
Rz. 192
Eine Beschränkung kann sich insbesondere in Versorgungsausgleichssachen ergeben. Maßgeblich für die Wertfestsetzung im Beschwerdeverfahren sind nur diejenigen Anrechte, die auch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden sind.
Beispiel 105: Beschränkter Antrag
Das FamG hat im Scheidungsverbundverfahren über fünf Anrechte entschieden (Verfahrenswert 6.200,00 EUR). Der Anwalt des Antragsgegners legt dagegen Beschwerde ein und beantragt, den Beschluss des FamG hinsichtlich eines Anrechts abzuändern.
Es gilt nach § 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG der Wert des Antrags, also das Abänderungsinteresse hinsichtlich eines Anrechts, somit 1.200,00 EUR.
Rz. 193
Wird kein Antrag gestellt oder erst nach Ablauf der Begründungsfrist, gilt der Wert der Beschwer (§ 40 Abs. 1 S. 2 FamGKG). Gleiches gilt, wenn rechtsmissbräuchlich nur ein geringer Antrag gestellt wird. Zu beachten ist, dass mangels anderweitiger Angaben die Beschwer des gesamten Verbundverfahrens anzusetzen sein kann.
Beispiel 106: Unbeschränkte Beschwerde, fehlender Antrag
Das FamG hat die Scheidung ausgesprochen (Werte: Ehesache 9.000,00; Versorgungsausgleich 2.700,00 EUR) und den Ehemann zur Zahlung von Zugewinn in Höhe von 50.000,00 EUR verpflichtet sowie zu 500,00 EUR monatlichem nachehelichen Unterhalt. Der Ehemann legt durch seinen Anwalt Beschwerde ein, da er der Auffassung ist, dass der Versorgungsausgleich falsch berechnet worden sei. Später nimmt er die Beschwerde zurück, ohne einen Antrag gestellt zu haben.
Es gilt der volle Wert der Beschwer, also 67.700,00 EUR, da der Anwalt keinen Antrag gestellt und die Beschwerde auch nicht auf die Folgesache...