Norbert Schneider, Lotte Thiel
1. Versorgungsausgleich
a) Überblick
Rz. 36
Der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich (§§ 217 ff. FamFG) ist in § 50 FamGKG geregelt. Diese Regelung gilt auch für den Scheidungsverbund.
Rz. 37
Für jedes Anrecht ist ein Betrag in Höhe von 10 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens beider Ehegatten anzusetzen, wenn es um Wertausgleich bei der Scheidung geht.
Rz. 38
Ausgleichsansprüche nach der Scheidung (§§ 20–26 VersAusglG) sind zwar nicht von Amts wegen Gegenstand des Verbundverfahrens. Sie sind aber auf Antrag verbundfähig, wenn ausnahmsweise zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung die Voraussetzungen des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG vorliegen. Für diesen Fall ist für jedes schuldrechtliche Anrecht ein Betrag in Höhe von 20 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens beider Ehegatten anzusetzen.
Beispiel 9: Versorgungsausgleich, mehrere Anrechte
Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 2.000,00 EUR, das der Ehefrau 1.000,00 EUR. Vermögen und Kinder sind nicht vorhanden. Beide Ehegatten haben jeweils ein gesetzliches Anrecht; der Ehemann darüber hinaus noch eine betriebliche Altersversorgung.
Verfahrensgegenstand sind drei Anrechte, so dass für jedes Anrecht 10 % des dreifachen Nettoeinkommens der Eheleute anzusetzen ist. Der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich beläuft sich somit auf 3 x 10 % x 3 x (2.000,00 EUR + 1.000,00 EUR) = 2.700,00 EUR. Der Verfahrenswert des Verbundverfahrens beträgt damit 11.700,00 EUR).
b) Zeitpunkt
Rz. 39
Abzustellen ist gem. § 34 S. 1 FamGKG auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags. Insoweit gilt das gleiche wie für die Ermittlung des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens zur Bewertung der Ehesache (siehe Rdn 15).
Beispiel 10: Versorgungsausgleich, Zeitpunkt der Bewertung
Bei Einleitung des Scheidungsverfahrens hatten die Eheleute ein gemeinsames Nettoeinkommen in Höhe von 4.000,00 EUR. Beide Eheleute hatten jeweils nur ein gesetzliches Anrecht. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ist das gemeinsame Nettoeinkommen der Eheleute
a) auf 2.500,00 EUR abgesunken
b) auf 5.000,00 EUR gestiegen.
Maßgebend bleibt in beiden Fällen das Nettoeinkommen bei Einreichung des Scheidungsantrags (§ 34 S. 1 FamGKG). Die nachträglichen Veränderungen sind in beiden Fällen unerheblich. Zwar bedarf es für den Versorgungsausgleich, soweit der Wertausgleich bei der Scheidung betroffen ist, keines gesonderten Antrags (§ 137 Abs. 2 S. 2 FamFG); dadurch handelt es sich jedoch nicht um ein Verfahren von Amts wegen, sondern um ein Verfahren, das nur auf den Scheidungsantrag von Amts wegen eingeleitet wird, so dass es nach § 34 S. 1 FamGKG auch hier auf den Zeitpunkt der Antragstellung (nämlich des Scheidungsantrags) ankommt. Der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich beträgt somit 2 x 10 % x 12.000,00 EUR = 2.400,00 EUR.
c) Kinderfreibeträge
Rz. 40
Kinderfreibeträge sind vom Nettoeinkommen unstreitig nicht abzuziehen, selbst wenn man einen Abzug bei der Ehesache (siehe oben Rdn 23) befürwortet.
Beispiel 11: Versorgungsausgleich, mehrere Anrechte
Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 2.000,00 EUR, das der Ehefrau 1.000,00 EUR. Aus der Ehe sind zwei gemeinschaftliche Kinder hervorgegangen. Beide Ehegatten haben jeweils ein gesetzliches Anrecht.
Unabhängig davon, ob man die Auffassung vertritt, beim Nettoeinkommen zur Berechnung des Werts der Ehesache seien Kinderfreibeträge abzuziehen (siehe Rdn 23), ist dies beim Versorgungsausgleich nicht zulässig, so dass für die Folgesache Versorgungsausgleich ein Wert in Höhe von (2 x 10 % x 3 x [2.000,00 EUR + 1.000,00 EUR] =) 1.800,00 EUR festzusetzen ist.
d) Ost- und Westanrechte
Rz. 41
Ost- und West-Anrechte gelten jeweils als gesonderte Anrechte.
Beispiel 12: Versorgungsausgleich, Ost- und Westrenten
Beide Eheleute haben jeweils gesetzliche Anrechte beim Rententräger Ost und West; der Ehemann hat darüber hinaus auch noch eine betriebliche Altersversorgung. Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 2.000,00 EUR, das der Ehefrau 3.000,00 EUR.
Jetzt sind fünf Anrechte Verfahrensgegenstand, nämlich zwei Ost-Anrechte, zwei West-Anrechte und eine Betriebsrente.
Der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich beläuft sich auf 5 x 10 % x 3 x (2.000,00 EUR + 3.000,00 EUR) = 7.500,00 EUR.