Norbert Schneider, Lotte Thiel
1. Überblick
Rz. 84
Wird im Verbundverfahren ein Vergleich über nicht anhängige Gegenstände geschlossen – insbesondere über Ansprüche, die Gegenstand einer Folgesache sein könnten –, so fällt daraus eine Gerichtsgebühr (Nr. 1500 FamGKG-KostVerz.) an, so dass das Gericht insoweit von Amts wegen (§ 55 FamGKG) einen Vergleichswert festsetzen muss. Dieser (Mehr-)Wert erhöht dann auch den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit. Zur Abrechnung siehe Rdn 134 ff.
Rz. 85
Der Mehrwert des Vergleichs richtet sich nach den Vorschriften der jeweiligen Gegenstände, die in die Einigung einbezogen worden sind, so dass auf die Ausführungen zu den entsprechenden isolierten Familiensachen Bezug genommen werden kann (siehe §§ 7 u. 8).
Beispiel 31: Gegenstandswert bei Mehrvergleich über Zugewinn
Im Scheidungsverfahren beträgt der Wert der Ehesache 9.000,00 EUR und der des Versorgungsausgleichs 2.700,00 EUR. Die Eheleute schließen im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Vergleich über den nicht anhängigen Zugewinnausgleich in Höhe von 20.000,00 EUR.
Der Wert des Verfahrens richtet sich nach den Werten von Ehesache und Versorgungsausgleich und beträgt damit 11.700,00 EUR. Der Mehrwert des Vergleichs beträgt 20.000,00 EUR.
2. Mehrvergleich Kindschaftssache
Rz. 86
Soweit der Vergleich eine nicht anhängige Kindschaftssache betrifft, ist auf § 45 FamGKG abzustellen und nicht auf § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG, da diese Wertvorschrift nach dem ausdrücklichen Wortlaut nur dann gilt, wenn die Kindschaftssache Folgesache ist. Das wird sie aber nur durch einen Antrag nach § 137 Abs. 3 FamFG, nicht durch einen bloßen Vergleich. Es würden sich zudem Wertungswidersprüche ergeben, wenn eine isoliert geführte Kindschaftssache im Verbund mit verglichen wird.
Beispiel 32: Gegenstandswert bei Mehrvergleich über Kindschaftssache
Im Scheidungsverfahren beträgt der Wert der Ehesache 6.000,00 EUR und der des Versorgungsausgleichs 1.200,00 EUR. Die Eheleute schließen einen Vergleich über das nicht anhängige Umgangsrecht.
Der Wert des Verfahrens beträgt 7.200,00 EUR. Für den Mehrwert des Vergleichs gilt § 45 FamGKG und nicht etwa § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG, da es sich nicht um eine Folgesache handelt. Der Vergleich hat somit einen Mehrwert von 3.000,00 EUR.
3. Mehrvergleich Vermögensauseinandersetzung?
Rz. 87
Die bloße Auseinandersetzung gemeinschaftlichen Vermögens löst dagegen keine Einigungsgebühr aus. Eine Einigungsgebühr für das Aushandeln eines Vertrags steht dem Rechtsanwalt nämlich nur dann zu, wenn sich zuvor ein Vertragspartner einer Rechtsposition berühmt hat, über die Streit oder Ungewissheit bestand. Das ist aber bei einer einfachen Vermögensauseinandersetzung nicht der Fall. Weder sind die Eigentumsverhältnisse streitig oder ungewiss, noch behauptet ein Beteiligter, dass ihm ein Anspruch auf Übertragung des Vermögensgegenstands zustehe bzw. dass der andere Beteiligte verpflichtet sei, den Vermögensgegenstand gegen eine Ausgleichzahlung zu übernehmen. Dass möglicherweise der Wert der Immobilie streitig ist, ist unerheblich, da der Wert einer Sache kein Rechtsverhältnis ist. Die Praxis nimmt i.d.R. ohne größere Überlegungen eine Einigung an.
Beispiel 33: Gegenstandswert bei Mehrvergleich auf Überragung einer gemeinsamen Immobilie
Im Scheidungsverfahren beträgt der Wert der Ehesache 24.000,00 EUR und der des Versorgungsausgleichs 9.600,00 EUR. Die Eheleute einigen sich, dass der Ehemann die gemeinsame Immobilie (Verkehrswert 200.000,00 EUR) erhalten und unter Verrechnung des Zugewinns noch 60.000,00 EUR zahlen soll.
Der Wert des Verfahrens beträgt 33.600,00 EUR. Ein Mehrwert liegt nur hinsichtlich des Zugewinns vor, so dass der Vergleich einen Mehrwert von 40.000,00 EUR hat.
Lässt man die Einigung über die Vermögensauseinandersetzung ausreichen, läge ein Mehrwert in Höhe von 140.000,00 EUR vor, da dann der hälftige Wert der Immobilie hinzuzurechnen wäre.
4. Mehrvergleich Veräußerung eines gemeinsamen Grundstücks
Rz. 88
Einigen sich die Eheleute, dass ein gemeinsames Grundstück an einen Dritten verkauft werden soll, nimmt das OLG Frankfurt einen Vergleichsmehrwert in Höhe des vollen Verkehrswerts des Grundstücks an.
Beispiel 34: Gegenstandswert bei Mehrvergleich auf Veräußerung des gemeinsamen Grundstücks an einen Dritten
Im Scheidungsverfahren beträgt der Wert der Ehesache 6.000,00 EUR und der des Versorgungsausgleichs 1.200,00 EUR. Die Eheleute einigen sich, dass die gemeinsame Immobilie mit einem Verkehrswert von 200.000,00 EUR freihändig an einen Dritten veräußert werden soll.
Der Wert des Verfahrens beträgt 7.200,00 EUR. Nach OLG Frankfurt soll der Mehrwert des Vergl...