Rz. 95

Durch die Übertragung von Unternehmensanteilen auf eine Stiftung kann das Unternehmen weiterhin vor ungewollten Mittelabflüssen geschützt werden, die regelmäßig drohen, wenn Ehegatten oder Abkömmlinge güter- oder erbrechtliche Ausgleichsansprüche realisieren wollen. Durch die Anteilsübertragung kann der Stifter sein Unternehmen endgültig aus seiner eigenen Vermögenssphäre ausgliedern. Kommt es nach der Unternehmensübertragung zu einer Beendigung des Güterstands oder verstirbt der Stifter, so bleibt der Unternehmenswert bei der Berechnung von Zugewinnausgleich- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen unberücksichtigt, wenn zwischen der unentgeltlichen Übertragung auf die Stiftung und dem jeweils maßgeblichen Stichtag (Beendigung des Güterstands bzw. Erbfall) mehr als 10 Jahre liegen.

 

Rz. 96

Liegen zwischen der Übertragung der Unternehmensanteile auf die Stiftung und dem maßgeblichen Stichtag weniger als 10 Jahre, kann sich eine frühzeitige Übertragung auf die Stiftung jedenfalls im Rahmen der Pflichtteilsergänzung erheblich auf die Anspruchshöhe auswirken, da sich der in Ansatz zu bringende Unternehmenswert aufgrund der Abschmelzungsregel des § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB pro Jahr um jeweils ein Zehntel reduziert.

 

Rz. 97

 

Beispiel

Unternehmer U ist Alleingesellschafter der X-GmbH. Er überträgt die GmbH-Anteile Anfang 2010 unentgeltlich auf die von ihm errichtete privatnützige Familienstiftung S. Nach mehr als neun aber weniger als zehn Jahren verstirbt U im Sommer 2019. Zum Zeitpunkt der Übertragung hatte das Unternehmen einen Verkehrswert von 1 Mio. EUR, zum Zeitpunkt des Erbfalls einen Wert von 1,5 Mio. EUR. U hinterlässt eine Frau und drei Kinder. Seine Frau hat er testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt. Die Kinder machen wegen der Unternehmensübertragung Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.

Berechnung des Unternehmenswerts für Pflichtteilsergänzung (PTE)

 
1. Wert Unternehmen 2010: 1.000.000,00 EUR
2. Wert unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes: 1.132.904,61 EUR
3. Maßgeblicher Wert für Abschmelzung nach Niederstwertprinzip gem. § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB: 1.132.904,61 EUR
4. Abschmelzung nach § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB: 90 %
5. Anzusetzender Wert für Berechnung PTE: 113.290,46 EUR
 

Rz. 98

Das Beispiel verdeutlicht, wie erheblich sich die Übertragung eines Unternehmens auf eine Stiftung auf die Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten auswirken kann. Dagegen findet im Rahmen des Zugewinnausgleichs keine Abschmelzung statt. Hier bleiben unentgeltliche Zuwendungen, die innerhalb der Zehn-Jahres-Frist des § 1375 Abs. 3 BGB erfolgt sind, stets in vollem Umfang berücksichtigt, auch wenn der Güterstand kurz vor Ablauf der Frist beendet wurde.[169]

[169] BeckOK-BGB/Cziupka, § 1375 Rn 70.

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