Rz. 27

Im häufigsten Dritthaftungsfall soll ein beruflicher Sachkenner – etwa ein Rechtsberater (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder eine Gesellschaft dieser Berufskreise) – im Auftrag seines Mandanten aufgrund seiner Fachkunde

eine Auskunft erteilen[129] (zum Auskunftsvertrag vgl. § 11 Rdn 1 ff.),
ein Gutachten anfertigen,[130]
einen Kapitalanlageprospekt prüfen,[131]
oder einen Zwischen- oder Jahresabschluss erstellen oder prüfen,[132] wobei möglicherweise ein Testat über die Einhaltung handelsrechtlicher Vorschriften, insb. die Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Buchführung erteilt wird (vgl. §§ 317, 322 HGB),[133]

und dabei erkennbar auch die Interessen eines Dritten wahren, der – i.d.R. als Kreditgeber, Käufer oder Kapitalanleger – die Expertise zur Grundlage einer Vermögensentscheidung machen will. Dann kann dieser Dritte in den Schutzbereich des fremden Vertrages einbezogen sein und gegen den Vertragsschuldner, der seine Vertragspflicht verletzt, einen eigenen Schadensersatzanspruch erwerben.[134]

 

Rz. 28

Eine solche "Berufshaftung der Experten ggü. Dritten" ("Expertenhaftung") soll Personen schützen, die durch die Leistung des Schuldners gefährdet werden und deswegen von den Vertragspartnern in den Schutzbereich der vertraglichen Neben- oder Hauptpflichten einbezogen werden; damit erweitern die Vertragsparteien einvernehmlich die vertraglichen Schutzpflichten – über ihr Rechtsverhältnis hinaus – auf einen Dritten.[135] Diese Haftung knüpft daran an, dass bestimmte Berufsgruppen – öffentlich bestellte Sachverständige, Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen und deren Vertragsleistungen von vornherein erkennbar zur Verwendung ggü. Dritten bestimmt sind und nach dem Willen des Auftraggebers eine entsprechende Beweiskraft haben sollen.[136] Auch ein nicht öffentlich bestellter Gutachter, dem die Öffentlichkeit nicht in gleicher Weise wie einem öffentlich bestellten Sachverständigen besonders hervorgehobene Fachkunde, Erfahrung und Zuverlässigkeit zutrauen kann, kann einer solchen Haftung unterliegen.[137]

[129] BGH, NJW-RR 1986, 1307 = WM 1986, 711 (Bonitätsauskunft eines Wirtschaftsprüfers); BGH, WM 1998, 1032 = NJW 1998, 1948 (Auskunft eines Abschlussprüfers); vgl. Bell, S. 116 ff.
[130] Steuerliches Gutachten eines Wirtschaftsprüfers: BGH, NJW 1983, 1053; Wertgutachten: BGHZ 127, 378 = NJW 1995, 392; BGH, NJW 1998, 1059 = WM 1998, 440; BGH, NJW 2001, 512, 514; BGH, NJW 2004, 3035 = BGHZ 159, 1; BGH, NJW-RR 2004, 1464; Gutachten eines Wirtschaftsprüfers betreffend Prüfung und Bestätigung von Prospektangaben: BGH, WM 2004, 1869 = NJW 2004, 3420.
[132] Steuerberater: BGH, NJW 1987, 1758, 1759 = WM 1987, 257; BGH, NJW-RR 1989, 696 = WM 1989, 375; BGH, WM 1993, 897 = NJW-RR 1993, 944; BGH, WM 1997, 359, 360 = NJW 1997, 1235; OLG Hamm, GI 1994, 384, 385; OLG München, WM 1997, 613; OLG Bremen, VersR 1999, 499; Wirtschaftsprüfer: BGH, WM 1986, 711; BGHZ 138, 257 = WM 1998, 1032 = NJW 1998, 1948 (Pflichtprüfung nach §§ 316 ff. HGB); BGH, 15.12.2005 – III ZR 424/04, WM 2006, 423 = NJW-RR 2006, 611, Tz. 11 ff., eine freiwillige Prüfung betreffend; BGH, 6.4.2006 – III ZR 256/04, BGHZ 167, 155, Tz. 12 ff. = WM 2006, 1052 = NJW 2006, 1975; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 522.
[133] Vgl. BGH, NJW-RR 1989, 696, 697; BGH, WM 1997, 359, 360 = NJW 1997, 1235.
[134] BGHZ 127, 378, 380 = NJW 1995, 392; BGH, WM 1998, 440, 441 = NJW 1998, 1059.
[135] BGH, WM 2004, 1869, 1871 = NJW 2004, 3420; BGH, 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 = WM 2012, 1359, Tz. 18.
[136] U.a. BGHZ 133, 168, 172 = WM 1996, 1739 = NJW 1996, 2927; BGHZ 159, 1, 4 f. = NJW 2004, 3035; BGH, 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 = WM 2012, 1359, Tz. 18; BGH, 24.4.2014 – III ZR 156/13, WM 2014, 935, Tz. 12.
[137] BGH, NJW 2001, 514, 516 = WM 2001, 529.

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