a) Selbstständiger Auskunftsvertrag
Rz. 29
Die Auskunft eines Experten – z.B. die Bonitätsauskunft eines Wirtschaftsprüfers – kann einen eigenständigen Auskunftsvertrag (§ 675 Abs. 2 BGB) zwischen dem Fachmann und dem Dritten begründen, aus dem der Auskunftgeber für die Richtigkeit und Vollständigkeit einer Auskunft haften kann (vgl. § 11 Rdn 1 ff.).
Für den stillschweigenden Abschluss eines Auskunftsvertrages ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben. Ein derartiger Vertrag kommt aber nicht in Betracht, wenn nicht angenommen werden kann, dass der Rechtsanwalt ggü. dem Vertragsgegner seines Mandanten für die Richtigkeit der von seiner Seite bei den Vertragsverhandlungen auf dem Gebiet des Steuerrechts abgegebenen Erklärungen einstehen wollte.
Rz. 30
Übernimmt ein Rechtsanwalt – z.B. im Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf – eine Rechtsberatung, die einen potenziellen Geschäftspartner des Mandanten – etwa durch Abgabe einer Third Party Legal Opinion oder gemäß "legal due diligence" – über einzelne Rechtsfragen eines geplanten Geschäfts unterrichten soll, wird i.d.R. entweder ein Auskunftsvertrag zwischen dem Rechtsanwalt und dem Dritten vorliegen, falls zwischen diesen Personen eine unmittelbare Verbindung besteht, oder ein Anwalts-(Gutachten-)vertrag mit dem Mandanten zugunsten des Dritten (vgl. § 9 Rdn 6, § 11 Rdn 15) oder mit Schutzwirkung für diesen geschlossen sein. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.
b) Auskunftspflicht aus Vertrag mit Schutzwirkung
Rz. 31
Die Pflicht zu einer richtigen und vollständigen Auskunft ggü. einem Dritten kann auch Nebenpflicht eines – auf eine andere Hauptleistung gerichteten – Rechtsberatervertrages sein, der insoweit Schutzwirkung für einen Dritten hat (vgl. Rdn 5 ff.).
Rz. 32
Dies kann im Rahmen eines Abschlussprüfer-(Wirtschaftsprüfer-)vertrages der Fall sein. Gibt ein Wirtschaftsprüfer, der mit der Pflichtprüfung des Jahresabschlusses einer GmbH befasst ist, demjenigen, der alle Geschäftsanteile der Gesellschaft erwerben will, die Auskunft, der – zu Unrecht einen erheblichen Jahresüberschuss ausweisende – Jahresabschluss werde von ihm nicht mehr geändert und könne von ihm bestätigt werden, kann der Wirtschaftsprüfer dem Auskunftsempfänger, der aufgrund der Auskunft die Geschäftsanteile der GmbH erwirbt, wegen der Ankündigung eines unrichtigen Testats haften; insoweit kann der Prüfvertrag, falls kein Auskunftsvertrag vorliegt, Schutzwirkung zugunsten des Dritten haben, wobei allerdings die gesetzliche Haftungsbegrenzung (§ 323 Abs. 2 HGB) zu berücksichtigen ist (im Einzelnen vgl. Rdn 50 ff., 55 ff.). § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB, der eine gesetzliche Haftung des Abschlussprüfers nur ggü. der Kapitalgesellschaft und einem verbundenen Unternehmen begründet, hindert die Partner des Prüfvertrages nicht, einen Dritten in den Schutzbereich des Vertrages einzubeziehen. Die gegenteilige Ansicht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages bindet die Gerichte nicht. Es ist allein Sache der Parteien des Prüfvertrages zu bestimmen, ob und ggf. welche Personen sie – über eine gesetzliche Haftung gem. § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB hinaus – in den vertraglichen Schutzbereich einbeziehen wollen; insoweit sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Rdn 55 ff.).
Rz. 33
Dies gilt nicht nur für eine falsche Auskunft im Vorfeld der Testaterteilung, sondern folgerichtig auch für die Erteilung eines fehlerhaften Bestätigungsvermerks (§ 322 HGB) selbst (vgl. Rdn 50 ff.); damit wird ein Haftungsprivileg von Prüfern bei gesetzlich vorgeschriebenen Jahresabschlussprüfungen (Pflichtprüfungen – §§ 316 ff., 264a HGB) ggü. den Prüfern bei freiwilligen Abschlussprüfungen, deren Verträge Schutzwirkung für Dritte haben k...