1. Grundlagen
Rz. 27
Im häufigsten Dritthaftungsfall soll ein beruflicher Sachkenner – etwa ein Rechtsberater (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder eine Gesellschaft dieser Berufskreise) – im Auftrag seines Mandanten aufgrund seiner Fachkunde
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eine Auskunft erteilen (zum Auskunftsvertrag vgl. § 11 Rdn 1 ff.), |
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ein Gutachten anfertigen, |
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einen Kapitalanlageprospekt prüfen, |
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oder einen Zwischen- oder Jahresabschluss erstellen oder prüfen, wobei möglicherweise ein Testat über die Einhaltung handelsrechtlicher Vorschriften, insb. die Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Buchführung erteilt wird (vgl. §§ 317, 322 HGB), |
und dabei erkennbar auch die Interessen eines Dritten wahren, der – i.d.R. als Kreditgeber, Käufer oder Kapitalanleger – die Expertise zur Grundlage einer Vermögensentscheidung machen will. Dann kann dieser Dritte in den Schutzbereich des fremden Vertrages einbezogen sein und gegen den Vertragsschuldner, der seine Vertragspflicht verletzt, einen eigenen Schadensersatzanspruch erwerben.
Rz. 28
Eine solche "Berufshaftung der Experten ggü. Dritten" ("Expertenhaftung") soll Personen schützen, die durch die Leistung des Schuldners gefährdet werden und deswegen von den Vertragspartnern in den Schutzbereich der vertraglichen Neben- oder Hauptpflichten einbezogen werden; damit erweitern die Vertragsparteien einvernehmlich die vertraglichen Schutzpflichten – über ihr Rechtsverhältnis hinaus – auf einen Dritten. Diese Haftung knüpft daran an, dass bestimmte Berufsgruppen – öffentlich bestellte Sachverständige, Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen und deren Vertragsleistungen von vornherein erkennbar zur Verwendung ggü. Dritten bestimmt sind und nach dem Willen des Auftraggebers eine entsprechende Beweiskraft haben sollen. Auch ein nicht öffentlich bestellter Gutachter, dem die Öffentlichkeit nicht in gleicher Weise wie einem öffentlich bestellten Sachverständigen besonders hervorgehobene Fachkunde, Erfahrung und Zuverlässigkeit zutrauen kann, kann einer solchen Haftung unterliegen.
2. Auskunftshaftung gegenüber Dritten
a) Selbstständiger Auskunftsvertrag
Rz. 29
Die Auskunft eines Experten – z.B. die Bonitätsauskunft eines Wirtschaftsprüfers – kann einen eigenständigen Auskunftsvertrag (§ 675 Abs. 2 BGB) zwischen dem Fachmann und dem Dritten begründen, aus dem der Auskunftgeber für die Richtigkeit und Vollständigkeit einer Auskunft haften kann (vgl. § 11 Rdn 1 ff.).
Für den stillschweigenden Abschluss eines Auskunftsvertrages ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben. Ein derartiger Vertrag kommt aber nicht in Betracht, wenn nicht angenommen werden kann, dass der Rechtsanwalt ggü. dem Vertragsgegner seines Mandanten für die Richtigkeit der von seiner Seite bei den Vertragsverhandlun...