Dr. iur. Nikolas Hölscher
1. Dogmatik der Sorgerechtsvollmacht
a) Außenverhältnis: Anwendung der §§ 164 ff. BGB vs. Ermächtigung
Rz. 6
Über die Dogmatik der Sorgerechtsvollmacht bestand in Rechtsprechung und Literatur lange erhebliche Uneinigkeit.
Der BGH hat der teilweise vertretenen Auffassung, die Sorgerechtsvollmacht stelle regelmäßig eine Ermächtigung analog § 125 Abs. 2 S. 2 HGB dar, eine Absage erteilt. Überzeugend führt der XII. Zivilsenat aus, dass es im Bereich der gesetzlichen (Gesamt-)Vertretung von Minderjährigen durch ihre Eltern nach § 1629 BGB an einer für eine analoge Anwendung von § 125 Abs. 2 S. 2 HGB erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlt. Denn die gesetzlichen Regeln zur Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB finden unmittelbare Anwendung und ermöglichen neben der Bevollmächtigung von Dritten ebenfalls die Bevollmächtigung des einen Elternteils durch den anderen.
Rz. 7
Nach Auffassung des BGH besteht keine Notwendigkeit, dass der bevollmächtigte Elternteil außer im Namen des Kindes auch im Namen des vollmachtgebenden Elternteils handelt. Der bevollmächtigte Elternteil vertrete das Kind unmittelbar allein. Der BGH geht – ohne nähere Begründung – davon aus, dass die eigene gesetzliche Vertretungsmacht des handelnden Elternteils und die vom anderen Elternteil erteilte Untervollmacht zu einer einheitlichen Alleinvertretungsmacht führen. Im Ergebnis ist dies sachgerecht und vermeidet unnötigen Formalismus. Gerade die einheitliche Alleinvertretung war allerdings Konsequenz der vom BGH abgelehnten "Ermächtigungslösung", weswegen eine dogmatische Begründung der angenommenen einheitlichen Alleinvertretungsmacht durchaus angezeigt war. Im Schrifttum wird das bedauerliche Fehlen einer solchen Begründung, durch die Annahme geschlossen, dass aus der Entscheidung des BGH nur abgeleitet werden könne, dass er die Sorgerechtsvollmacht an einen Elternteil als Direktvertretung des Kindes verstanden haben möchte. Zutreffend weist Eicher darauf hin, dass dies jedenfalls insoweit stimmig sei, als beide Elternteile gemeinsam auch einen fremden Dritten zur alleinigen Direktvertretung des Kindes bevollmächtigen können.
b) Innenverhältnis
Rz. 8
Was das Innenverhältnis anbelangt, ist zwischen Sorgerechtsvollmachten unter Eltern und Sorgerechtsvollmachten an Dritte zu differenzieren.
aa) Innenverhältnis bei Sorgerechtsvollmachten unter Eltern
Rz. 9
Nachdem der BGH im Außenverhältnis zutreffend die Vorschriften der §§ 164 ff. BGB auf die Sorgerechtsvollmacht anwendet, stellt er weiter fest, dass sich aus der trotz Vollmachtserteilung fortbestehenden elterlichen Sorge nach §§ 1626 ff. BGB sodann regelmäßig das Innenverhältnis ergibt. Aus der elterlichen Sorge folgen Mitwirkungspflichten sowie Kontrollbefugnisse und -pflichten des vollmachtgebenden Elternteils. Eines gesonderten vertraglichen Schuldverhältnisses, etwa eines Auftrags, bedarf es für das Innenverhältnis nicht.
bb) Innenverhältnis bei Sorgerechtsvollmachten an Dritte
Rz. 10
Für die Erteilung von Sorgerechtsvollmachten an Dritte kann sich das Innenverhältnis nicht aus der gemeinsamen elterlichen Sorge ergeben. Das Innenverhältnis folgt mithin aus einem gesondert begründeten vertraglichen Schuldverhältnis. Im Regelfall wird ein Auftragsverhältnis vorliegen. Denkbar ist auch ein Dienstvertrag oder ein typengemischter Vertrag.
2. Sorgerechtsvollmacht als General- oder Spezialvollmacht
Rz. 11
Neben der Erteilung einer Vollmacht für spezielle Rechtsgeschäfte kann eine Sorgerechtsvollmacht auch als Generalvollmacht erteilt werden. Denn der vollmachtgebende Elternteil verzichtet durch eine Generalvollmacht nicht auf die elterliche Sorge sondern bleibt weiter berechtigt und verpflichtet. Die Zulässigkeit einer Generalsorgerechtsvollmacht ist anerkannt.
3. Keine Unwiderruflichkeit
Rz. 12
Sorgerechtsvollmachten können mangels Disponibilität des Elternrechts nicht wirksam unwiderruflich erteilt werden. Die freiwillige Übertragung von Befugnissen...